Diamantenschmaus
blickte
Mario ernst an. »Den Gefallen wirst du mir doch nicht ausschlagen, oder? Dein
Beraterhonorar wird für diese Zeit natürlich verdoppelt.«
»Mindestens für die Dauer eines Monats«, entgegnete
Palinski. »Denn wenn wir die junge Frau morgen gefunden haben, hieße das 40
Euro extra.« Er verdrehte scherzhaft die Augen.
»Das geht in Ordnung, alter Raubritter«, stimmte
Schneckenburger zu und schlug in die angebotene Hand ein. »Vor allem, weil ich
ganz genau weiß, dass du auch ohne Honorar mitgemacht hättest.«
Inzwischen war einer von Schneckenburgers guten Geistern fast
lautlos ins Zimmer gekommen und hatte den kleinen Fernsehapparat angedreht, der
sich in der Ecke hinter dem Schreibtisch befand.
»Dr. Wiesmeyer«, das war der Kabinettchef des Ministers, so
viel wusste Palinski bereits, »hat angerufen und empfiehlt dringend, sich die
aktuellen Nachrichten anzusehen.«
Fast folgsam nahm Schneckenburger wieder Platz und forderte
Palinski auf, sich ebenfalls zu setzen.
Zweifellos hatte Wiesmeyer das in Kürze beginnende Interview
mit dem Bundespräsidenten gemeint. Der Kabinettchef musste wegen einer
hartnäckigen Grippe seit einigen Tagen das Bett hüten, jedoch ließ er es sich
nicht nehmen, auch von zu Hause aus seine Unentbehrlichkeit unter Beweis zu
stellen.
Ein Interview, das auf Wunsch des Staatsoberhauptes geführt
wurde. Eine höchst seltene, wenn nicht überhaupt einmalige Vorgangsweise, die
zweifellos durch die aktuelle politische Situation bedingt war. Eine Situation,
die wohl ebenso einmalig in der Geschichte des Landes war, wie in diesem Moment
der Anchorman des TVA, Bertram Novelsky, erläuterte.
Die Wahlen zum Nationalrat vor mehr als einem halben Jahr
hatten zur allgemein größten Überraschung mit einem hauchdünnen Sieg der linken
der beiden Kräfte der Mitte geendet. Der von diesem Erfolg völlig überraschte
Führer dieser und sein total frustrierter Kollege von der anderen Partei, der
bisherige und nur mehr provisorische Bundeskanzler, waren durch das
Wahlergebnis quasi dazu verdammt, in Zukunft eine Regierungskoalition
einzugehen.
Diese Koalition wollte der mit einem Plus von
0,2 Prozent der abgegebenen Stimmen und dem Regierungsbildungsauftrag
ausgestattete Leader der einen Partei um jeden Preis erreichen, sein
Gesprächspartner auf der anderen Seite des Verhandlungstisches dagegen allem
Anschein nach verhindern oder zumindest so lange wie nur möglich hinauszögern.
Ein aus seiner Sicht verständlicher Wunsch, war er doch einige Zeit selbst
Regierungschef gewesen. Zwar nur provisorisch, aber immer noch besser als gar
nicht. Beim Treffen der Regierungschefs in Brüssel oder dem Staatsbesuch in
Australien (Leader of country without kangaroos meets leader of country with)
fragte kein Mensch danach.
Doch nun schien dem mit einer wahren Engelsgeduld
ausgestatteten Präsidenten der Republik endlich der Hut hochgegangen zu sein.
»Falls die beiden Parteien bis Donnerstag Mittag zu keiner
tragfähigen Vereinbarung kommen«, kündigte er mit leicht grollender Stimme an,
»werde ich meine verfassungsmäßig eingeräumten Kompetenzen voll ausschöpfen und
sicherstellen, dass unser Staat spätestens innerhalb einer weiteren Woche eine
funktionsfähige Regierung haben wird. Der gegenwärtige Zustand ist nicht länger
tragbar.«
Schlagartig machten sich leichte Turbulenzen im ganzen Lande
bemerkbar, die zweifellos auf die in allen Nachrichtenredaktionen Österreichs,
aber auch in Europa und der restlichen Welt rotierenden Chefs und Mitarbeiter
zurückzuführen waren.
Das war nicht nur ein Schuss vor den Bug sich ihrer
Verantwortung offenbar nicht mehr bewusster Politiker gewesen, sondern eine
ganze Breitseite. Mit einem Wort, eine Sensation, die erstklassige Schlagzeilen
für mindestens eine weitere Woche versprach.
Das wirklich bemühte, zum Teil richtig
listenreiche Nachfassen des erfahrenen Interviewers blieb allerdings beim
ersten Mann im Staate, einem äußerst erfahrenen Politiker, völlig erfolglos.
Auf die wiederholte Anfrage, mit welchen konkreten Maßnahmen gegebenenfalls zu
rechnen war, teilte der Bundespräsident nur mit, dass man zur Beantwortung
dieser Frage lediglich in der Bundesverfassung nachlesen müsste. Und damit
basta, finito.
Diese finalen Worte sagte UHBP [17] nicht laut. Dennoch waren sie unüberhörbar.
»Irgendwie schade«, meinte Schneckenburger und drehte das
Fernsehgerät wieder ab. »Gerade hat das Ministeramt begonnen, mir Spaß zu
machen. Doch
Weitere Kostenlose Bücher