Diamantenschmaus
ihn wurde. Vor allem deshalb,
weil er sie mit seinem Verhalten angreifbar machte. Ihre Fantasie anregte, sich
Dinge und Situationen vorzustellen, die sie in diesen Momenten genoss. Für die
sie sich danach anfänglich sehr geniert hatte und das auch heute noch ein wenig
tat.
Heute, hier, in dieser Hotelhalle auf einen attraktiven Mann
zu warten, war so ein Moment. Und sie empfand das leichte Prickeln, das sich zunehmend
in ihr ausbreitete, als durchaus anregend.
Was wohl Mario …? Ach verdammt, sie musste endlich
aufhören, alles aus seiner Perspektive zu betrachten. Sie musste zur
Abwechslung einmal an sich selbst denken.
*
Maja und Jan, Palinskis neue Freunde aus dem
ersten Stock, saßen mit einigen Kommilitonen in einem Beisel in der Nähe der
Universität. Um bei der Wahrheit zu bleiben, es waren vor allem seine
Studienkollegen, die sich hier eingefunden hatten.
Maja, die zunächst ebenfalls Medizin inskribiert hatte, aus
purer Liebe, denn sie war wohl der Meinung, keine Sekunde des Tages ohne ihren
Jan sein zu können, hatte rasch erkannt, dass sie sich in ihrem erlernten Beruf
als Kindergärtnerin wesentlich wohler fühlte. Und das trotz der bis zu sechs
Stunden am Tag, die sie ihr Herzibinki nunmehr nicht zu Gesicht bekam.
Im Augenblick konzentrierte sich das Interesse der jungen
Frau fast ausschließlich auf einen an einem Nebentisch sitzenden, etwa
50-jährigen Mann, der dem Vater einer ihrer guten Freundinnen aus den
Kindestagen in Werfenweng zum Verwechseln ähnlich sah. Als sie ihn vor einigen
Minuten das erste Mal gesehen hatte, wollte sie ihm ganz spontan ›Ja hallo,
Herr Rosner, wie geht es denn der Kathi?‹ zurufen. Gerade rechtzeitig hatte sie
jedoch erkannt, dass diesem Rosner im Gegensatz zum echten eine etwa drei
Zentimeter lange Narbe auf der Stirn über dem linken Auge, Erinnerung an eine
juvenile Wirtshausrauferei, demzufolge ein unveränderliches Merkmal fehlte.
Trotzdem, diese Ähnlichkeit war gespenstisch, obwohl Maja
inzwischen noch ein, zwei weitere Unterschiede entdeckt hatte. Gerade wollte
sie Jan auf den Doppelgänger aufmerksam machen, natürlich ganz dezent, als ein
anderer Mann vor dem Tisch des falschen Rosners stehenblieb.
Der fixierte den vielleicht 35-jährigen Ankömmling und
meinte: »Sie müssen Baborek sein.«
Worauf dieser kurz nickte. »Dann sind Sie wohl Mario
Palinski«, erwiderte er und nahm auf dem freien Sessel Platz.
Maja fand das richtig aufregend.
Da gab es doch tatsächlich einen Mann, der genau so aussah
wie Kathis Vater und exakt so hieß wie der nette Herr aus dem
Krimiliteralinstitut bei ihnen im Hause. Oder wie das Zeugs hieß. Das musste
sie Herrn Palinski, also dem anderen Herrn Palinski, bei Gelegenheit unbedingt
erzählen. Wenn sie ihn richtig einschätzte, würde der das sicher unheimlich
lustig finden.
Maja wandte sich wieder der Runde an ihrem Tisch zu. Als
einzige Nichtstudierende fühlte sie sich bei der laufenden Diskussion über die
letzten Schnittmuster in Pathologie und den bevorstehenden Test in
anorganischer Chemie irgendwie ausgeschlossen. Was man aus Liebe nicht alles
über sich ergehen ließ.
Möglichst unauffällig richtete Maja aus diesem Grund ihr
Interesse wieder auf den Nebentisch. Wo Palinski 2 eben den Inhalt einer
kleinen, dennoch irgendwie protzig wirkenden Schachtel prüfte, die ihm sein
Gegenüber zugeschoben hatte.
»Gut«, entgegnete der Rosner-Klon, »ein wunderschönes Stück.
Was soll es kosten?«
»Es ist nicht ganz billig«, räumte Baborek ein. »Aber mit«,
er senkte seine Stimme etwas, sodass Maja Schwierigkeiten hatte, 3.500 zu
verstehen, »auf jeden Fall eine echte Okkasion.«
Man musste gar nicht so neugierig sein oder so
eine ausgeprägte Fantasie haben wie die junge Salzburgerin, um von der sich am
Nebentisch abspielenden Szene zu wilden Spekulationen angeregt zu werden. Was
war es, was sich da vor ihren Augen abspielte? Schmuggelware, die gerade ihren
Besitzer wechselte, Konterbande, Hehlerei?
Palinski 2 zögerte kurz, dann nickte er. »Gut, ich gebe Ihnen
jetzt 1.500 als Anzahlung, die restlichen 2.000 holen Sie sich morgen bei mir
im Büro ab.« Er kramte eine Visitkarte aus seiner Jackentasche und reichte sie
Baborek. »Das gute Stück hier nehme ich gleich an mich, da ich es heute Abend
benötige.«
Er merkte, wie sein Gegenüber die Augenbrauen runzelte.
Deshalb setzte er ihm ein wenig das Messer an.
»Sie können mein Angebot annehmen oder es bleiben lassen.
Verhandelt wird
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