Diamantenschmaus
nicht erklären. »Aber,
wie gesagt, ich lasse das auf keinen Fall zu«, beteuerte er nochmals.
Hildi hielt das alles zunächst für einen schlechten
Scherz. Nachdem Vickerl keinerlei Anzeichen machte, zu schmunzeln oder gar zu
lachen, bekam sie es mit der Angst zu tun. Und das ganz schrecklich.
*
In den
11-Uhr-Nachrichten war die Meldung, dass der Leichnam des Kammersängers
Konstantin Boreskov in einem in Regensburg in einen Unfall verwickelten
Kühlwagen gefunden worden war, über den Rundfunk gegangen. Und dass sich Fahrer
und Beifahrer des Fahrzeuges nach wie vor auf der Flucht befanden. Nach beiden
wurde in ganz Europa gefahndet.
Als Florian Nowotny kurze Zeit später nachschaute,
ob und wie sich diese Entwicklung auf die bereits im Gange befindliche
Online-Auktion des Boreskov-Diamanten ausgewirkt hatte, war diese spezielle
Versteigerung bereits abgesetzt worden. ›Aus technischen Gründen abgebrochen‹,
wie es in einem kurzen Hinweis lapidar hieß.
Rein durch Zufall, er hatte in Gedanken den Namen Lesonic
anstelle von Forderberg in die Suchmaschine eingetippt, war Florian auf einen
eigenartigen Artikel in den Wiener Zeiten gestoßen.
Unter der Schlagzeile ›Hundemörder zu
1.200 Schilling Schadenersatz verurteilt‹ wurde hier von einem
hartnäckigen Rachefeldzug berichtet, den eine ältere Hundeliebhaberin vor
einigen Jahren gegen einen notorischen Raucher, einen gewissen Karl L., geführt
hatte.
Der arbeitslose Mann hatte sich als Kleintiersitter
etwas Geld zu seiner kargen Notstandshilfe dazuverdient und vor allem auf die
Hunde und Katzen aus seinem Grätzel [32] aufgepasst.
Als nach nur wenigen Jahren ein überraschend hoher
Prozentsatz dieser Tierchen einging, und das unter schrecklichen Umständen,
brachte das zunächst noch niemand mit L. in Verbindung.
Bis zu dem Tag, an dem eine Frau ihr geliebtes
Viecherl früher als vereinbart abholen wollte und dabei Zeuge wurde, wie Karl
L. die ihm anvertrauten Tiere in einem klitzekleinen Raum, einem Kammerl in
seiner Wohnung eingesperrt hielt, dabei eine Zigarette nach der anderen pofelte
und sich mordsmäßig darüber amüsierte, wie die armen Kreaturen unter dem
dichten Rauch litten.
Als ihr Hund knapp zehn Monate später elendiglich
an mehreren bösartigen Gewächsen im Bereich der Atemwege zugrunde gegangen war,
hatte die schockierte Frau die Initiative ergriffen und Strafanzeige gegen
Karl L. erstattet.
Wegen Hundemordes oder alternativ wegen grob
fahrlässiger Tötung eines ihm zeitweise anvertrauten Tieres, also eines
Schutzbefohlenen, durch zwangsweises Passivrauchen.
Dazu hatte die Frau die nicht unbeträchtlichen
Kosten der tierärztlichen Behandlung sowie ein Schmerzensgeld von 50.000
Schilling (ca. 3.580 Euro) im Zivilrechtswege eingeklagt.
Es kam, wie es kommen musste in einem Gemeinwesen,
in dem ein Hund straf- wie auch zivilrechtlich den gleichen Status hatte wie
ein Auto oder ein Paar Schuhe. Nämlich eine Sache war. Nicht mehr und nicht
weniger.
Der ›unzuständige‹ Staatsanwalt hatte die Anzeige
natürlich sofort zurückgelegt, sobald sich sein Lachanfall gelegt hatte. Die
Richterin am Bezirksgericht hatte der Frau den Betrag von 1.200 Schilling (ca.
80 Euro) zugesprochen. Für das Gericht war ›Totalschaden‹ vorgelegen. Und der
Wert der ›besonderen Vorliebe‹, den die Klägerin ins Treffen geführt hatte, war
für die Bemessung des Schadenersatzes nun einmal nicht zu berücksichtigen
gewesen.
Angesichts des Stammbaumes des Hundes, direkt links
vor dem Haupteingang zum Tierschutzhaus und der charmanten Mischung aus
verschiedenrassigen Vorfahren, ohnehin ein großzügig bemessener Betrag, wie
Kenner der Szene meinten. Allerdings war Karl L. nicht ganz ohne Strafe
davongekommen.
Wegen Tierquälerei im Wiederholungsfalle war der
Mann neben einer bedingten Haftstrafe immerhin zu einer Geldstrafe von 800
Schilling (ca. 58 Euro) verdonnert worden.
Für die wehrhafte Hundefreundin war der Glaube an
die Gerechtigkeit allerdings schwer unter die Räder gekommen. Und dass ihre
vierbeinigen Lieblinge im juristischen Sinne nur Sachen sein sollten in diesem
Lande, ließ sie kurz an Auswanderung und nachhaltig an Rache denken.
Florian schüttelte leicht den Kopf. Sachen gab es.
Dieser Lesonic war wirklich ein mieser Kerl gewesen.
Doch deswegen ermordet zu werden, das war wieder eine ganz
andere Sache.
Er beschloss, den Artikel auszudrucken und den Lesonic-Unterlagen
beizufügen. Man konnte ja nie wissen, wann man
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