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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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kitzlige Stelle in ihrem Zwerchfell berührte. Es tat gut. Sie schüttelte den Kopf und ließ das Haar über die Schultern schwingen. Dann beugte sie sich über den Tisch nach vorne und brüllte, um sich über den Lärm der Band hinweg verständlich zu machen. »Ihr Burschen müßt verzweifelt sein. Ich bin ein alter Hut, Jungs. Allein in diesem Saal sind ein halbes Dutzend Raktiven mit besseren Aussichten als ich. Hat Carl Sie nicht aufgeklärt? Ich sitze seit sechs Jahren in einer Körperbühne und mache Kinderzeug. Ich bin kein Star.«
    »Star bedeutet ein Meister konventioneller Raktiver, und das ist genau die Technologie, die wir überwinden wollen«, sagte Mr. Beck ein wenig verächtlich, weil sie ihn nicht verstand.
    Mr. Oda zeigte auf die Band. »Keiner dieser Menschen ist Profimusiker – manche nicht einmal Amateure. Musikalische Begabung ist hierfür bedeutungslos – diese Menschen sind neuartige Künstler, die zu früh geboren wurden.«
    »Beinahe
zu früh«, sagte Mr. Beck.
    »Mein Gott«, sagte Miranda, der allmählich ein Licht aufging. Zum erstenmal glaubte sie, daß tatsächlich möglich sein könnte, wovon Beck und Oda redeten – was immer es auch sein mochte.
    Was wiederum bedeutete, sie war zu neunzig Prozent überzeugt -auch wenn nur Beck und Oda das begriffen.
    Es war zu laut für eine Unterhaltung. Ein herumtobender Tänzer stieß gegen Mirandas Stuhl und wäre um ein Haar über sie gestürzt. Beck stand auf, kam um den Tisch, streckte eine Hand aus und bat sie zum Tanz. Miranda sah in das dionysische Treiben auf der Tanzfläche und sah ein, daß der einzig sichere Platz mittendrin sein würde. Sie nahm die Libellenbrosche vom Tisch und folgte Beck zwischen die Tanzenden. Als sie die Brosche ansteckte, fing sie an zu pulsieren, und Miranda glaubte, eine neue Melodie im Geflecht des Songs herauszuhören.
     

In der Fibel gelangt Prinzessin Nell in das Land von König Kojote.
    Den ganzen heißen Nachmittag hindurch wanderte Nell die zahllosen Serpentinen entlang, griff gelegentlich in den Beutel, der an ihrer Hüfte hing, holte eine Handvoll von Purpurs Asche heraus und streute sie wie Samen hinter sich aus. Wann immer sie anhielt und Rast machte, konnte sie die verbrannte Wüste sehen, die sie gerade überquert hatte: eine lohfarbene Ebene mit rotbraunem Vulkangestein und duftenden grünen Sträuchern, die sich an jede vor dem ewigen Wind geschützte Stelle klammerten wie Schimmel auf Brot. Sie hatte gehofft, wenn sie den Berg bestieg, würde sie den Staub hinter sich lassen, aber der Staub war ihr gefolgt und überzog ihre Lippen und ihre Zehen. Wenn sie durch die Nase einatmete, brannten ihr die ausgetrockneten Schleimhäute, und darum hatte sie es aufgegeben, an irgend etwas zu riechen. Aber am Spätnachmittag wehte ihr eine kühle, feuchte Brise vom Berg herab ins Gesicht. Nell atmete tief durch und hoffte, sie könnte etwas von der kühlen Luft abbekommen, ehe sie weiter in die Wüste hinabwehte. Die Luft roch nach immergrünen Pflanzen.
    Während sie die Serpentinen erklomm, durchwatete sie diese köstlichen Luftströmungen immer wieder, so daß sie nach jeder Haarnadelkurve des Weges den Wunsch verspürte, bis zur nächsten zu gehen. Die kleinen Sträucher, die sich an Felsen und in Spalten festklammerten, wurden größer und zahlreicher, und allmählich tauchten auch Blumen auf, zuerst winzig kleine weiße, als hätte jemand Salz über die Felsen gestreut, dann größere Blüten, blau, magentarot, leuchtend orange und feucht von Nektar, der Bienen anzog, die mit ihrem gestohlenen Pollen ganz gelb und samtig aussahen. Knorrige Eichen und kurze, dichte immergrüne Büsche warfen winzige Schatten auf den Weg. Der Horizont rückte näher, die Windungen der Straße wurden zunehmend weiter, je flacher der Berg wurde. Nell frohlockte, als die Serpentinen aufhörten und der Weg gerade durch eine hügelige Bergwiese mit purpurfarbenem Heidekraut und vereinzelte Wäldchen hoher Fichten verlief. Einen Augenblick fürchtete sie, die Wiese wäre lediglich ein Plateau und weitere Berge lägen vor ihr; aber dann führte der Pfad bergab, und sie lief heftig stapfend, da neue Muskeln ihren Abstieg bremsten, über einen großen Felsen mit Pfützen klaren Wassers und vereinzelten Rauten nassen Schnees, bis sie an einen Punkt kam, wo der Fels unter ihr steil abfiel und sie unsicher zum Stillstand kam und wie ein Wanderfalke über ein weites Land mit blauen Seen und grünen Bergen blickte, das sich in

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