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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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gebührenden Respekt, Euer Gnaden, bin ich mit Ihrer Prämisse nicht unbedingt einverstanden. New Atlantis kann auf zahlreiche bedeutende Künstler zurückgreifen.«
    »Ach, kommen Sie. Warum kommen sie denn alle von außerhalb des Stamms wie Sie selbst? Im Ernst, Mr. Hollywood, hätten Sie den Eid überhaupt abgelegt, wenn es aufgrund Ihrer Tätigkeit als Theaterproduzent nicht von Vorteil für Sie gewesen wäre?«
    »Ich denke, ich werde Ihre Frage als Teil eines Sokratesschen Dialogs zu meiner Erbauung betrachten«, sagte Carl Hollywood zurückhaltend, » und nicht als Anspielung auf eine Unaufrichtigkeit meinerseits. Bevor ich Ihnen begegnete, genoß ich meine Zigarre, betrachtete London und dachte mir, wie gut mir alles zupaß kommt.«
    »Es kommt Ihnen gut zupaß, weil Sie inzwischen ein gewisses Alter erreicht haben. Sie sind ein erfolgreicher und etablierter Künstler. Das unstete Leben eines Bohemiens kann Ihnen nichts mehr bieten. Aber hätten Sie Ihre derzeitige Position erreicht, wenn Sie dieses Leben nicht früher geführt hätten?«
    »Jetzt, wo Sie es so ausdrücken«, sagte Carl, »stimme ich zu, daß wir versuchen könnten, in Zukunft gewisse Vorkehrungen zu treffen, für junge Bohemiens –«
    »Das würde nicht funktionieren«, sagte Finkle-McGraw, »darüber denke ich schon seit Jahren nach. Ich hatte denselben Einfall: eine Art Freizeitpark für junge künstlerische Bohemiens einzurichten, in allen Städten verstreut, damit junge Atlanter mit entsprechenden Neigungen sich versammeln und subversiv sein können, falls ihnen danach zumute ist. Aber die Vorstellung allein ist ein Widerspruch in sich. Mr. Hollywood, ich habe im vergangenen Jahrzehnt oder so viel Mühe darauf verwandt, das Subversive systematisch zu ermutigen.«
    »Tatsächlich? Haben Sie keine Angst, daß unsere jungen Subversiven zu anderen Phylen abwandern könnten?«
    Wenn sich Carl Hollywood selbst in den Arsch hätte treten können, dann hätte er es in dem Moment getan, als er die Worte ausgesprochen hatte. Er hatte vergessen, daß Elizabeth Finkle-McGraw erst vor kurzem und unter gewaltigem Presseecho zu CryptNet übergelaufen war. Aber der Herzog reagierte gelassen.
    »Manche schon, wie der Fall meiner Enkelin zeigt. Aber was bedeutet es wirklich, wenn so ein junger Mensch zu einer anderen Phyle abwandert? Es bedeutet, daß sie die Leichtgläubigkeit der Jugend überwunden haben und nicht mehr einem Stamm angehören möchten, weil es der Weg des geringsten Widerstands ist – sie haben Prinzipien entwickelt, sie sorgen sich um ihre persönliche Integrität. Es bedeutet, kurz gesagt, daß sie reif sind, gestandene Mitglieder von New Atlantis zu werden – sobald ihre Weisheit ausreicht, ihnen zu zeigen, daß es der beste aller möglichen Stämme ist.«
    »Ihre Strategie war derart subtil, daß ich ihr nicht zu folgen vermochte. Danke für die Erklärung. Sie fördern das subversive Element, weil Sie sich davon die gegenteilige Wirkung erhoffen, die man naiverweise erwarten dürfte.«
    »Ja. Und genau darin liegt die Daseinsberechtigung eines Dividenden-Lords – die Interessen der gesamten Gesellschaft im Blick zu haben, anstatt die eigene Firma zu melken oder was immer. Wie dem auch sei, das bringt uns zum Thema der Anzeige, die ich im Raktiventeil der
Times
geschaltet hatte, und unserem anschließenden Cinephongespräch.«
    »Ja«, sagte Carl Hollywood, »Sie suchen nach Rakteuren, die an einem Projekt mitgewirkt haben, das sich
Illustrierte Fibel für die junge Dame
nennt.«
    »Die Fibel war meine Idee. Ich habe sie in Auftrag gegeben. Ich habe die Gagen der Rakteure bezahlt. Selbstverständlich hatte ich aufgrund der Organisation des Medienbetriebs keine Möglichkeit, die Identität der Rakteure herauszufinden, denen ich die Honorare überwies - daher die Notwendigkeit einer Anzeige.«
    »Euer Gnaden, ich sollte Ihnen unverzüglich mitteilen - und hätte es Ihnen schon am Cinephon gesagt, wenn Sie nicht darauf bestanden hätten, daß wir alle tiefschürfenden Diskussionen nur persönlich führen sollten -, daß ich selbst keinen Anteil an der Fibel hatte. Aber eine Freundin von mir. Als ich die Anzeige las, habe ich mir die Freiheit genommen, in ihrem Namen zu antworten.«
    »Mir ist bekannt, daß Raktriven manchmal Nachstellungen von allzu begeisterten Leuten aus ihrem Publikum ausgesetzt sind«, sagte Finkle-McGraw, »daher verstehe ich, weshalb Sie sich in diesem Fall als Mittelsmann zwischengeschaltet haben. Ich darf

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