Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
ob es möglich wäre, daß sie besagte persönliche Habseligkeiten noch ein ganz klein wenig länger für mich verwahrt. Es kann unmöglich länger als noch einmal zehn Jahre dauern.«
    Und damit setzte Hackworth Kidnapper in Bewegung und ließ ihn ausgesprochen strammen Schrittes gehen.
    Fiona fuhr ein Veloziped mit SmartRädern, die mit der Kopfsteinpflasterstraße kurzen Prozeß machten. Sie holte ihren Vater kurz vor dem Sicherheitsgitter ein. Mutter und Amelia waren soeben hinter ihnen in einem Halbspurautomobil aufgetaucht, und die plötzlich drohende Gefahr bewog Fiona, einen gewagten Sprung vom Sattel ihres Fahrrads auf Kidnappers Rücken zu machen – wie ein Cowboy im Film, der mitten im Galopp die Pferde wechselt. Ihre Röcke, die kaum für derartige Manöver gedacht waren, wickelten sich um ihre Beine, und so lag sie schließlich wie ein Sack Bohnen auf Kidnappers Rücken, klammerte sich mit einer Hand an dem rudimentären Knauf fest, wo bei einem normalen Pferd der Schwanz sitzen würde, und schlang die andere um die Taille ihres Vaters.
    »Ich hab dich lieb, Mutter!« rief sie, während sie durch das Gitter ritten und damit die Jurisdiktion von New Atlantis hinter sich ließen. »Von Ihnen kann ich das nicht sagen, Amelia! Aber ich komme wieder, macht euch keine Sorgen um mich! Auf bald!« Dann schlossen sich Farne und Nebel hinter ihnen, und sie waren allein im tiefen Wald.
     

Carl Hollywood legt den Eid ab;
ein Spaziergang an der Themse;
eine Begegnung mit Lord Finkle-McGraw.
    Carl legte den Eid an einem überraschend milden Frühlingstag im April in der Westminster Abbey ab und machte hinterher einen Spaziergang am Fluß, der ihn auf nicht allzu direktem Weg zu einem Empfang führte, der zu seinen Ehren am Hopkins Theatre in der Nähe des Leicester Square gegeben wurde. Auch ohne Pedomobil ging er so schnell, wie manche Leute joggten. Seit seinem ersten Besuch in London als unterernährter Schauspielschüler zog er hier das Spazierengehen jeder anderen Art der Fortbewegung vor. Außerdem erlaubte ihm ein Spaziergang am vergleichsweise unbelebten Ufer, seine großen, authentischen alten Zigarren oder mitunter auch eine Bruyerepfeife zu rauchen. Daß er Viktorianer war, hieß noch lange nicht, daß er seine Eigenheiten aufgeben mußte; im Gegenteil. Als er in der kometenähnlichen Korona seines eigenen blauen Dunstes an der alten von Schrapnelleinschlägen gezeichneten Nadel Kleopatras vorbeistapfte, überlegte er sich, daß er sogar Gefallen daran finden könnte.
    Ein Gentleman mit Zylinder stand am Geländer und sah stoisch über das Wasser hinaus, und als Carl näher kam, konnte er sehen, daß es sich um Lord Alexander Chung-Sik Finkle-McGraw handelte, der ihm zwei Tage zuvor bei einer Cinephonunterhaltung mitgeteilt hatte, daß er sich in naher Zukunft gerne mit ihm persönlich auf ein Schwätzchen treffen würde.
    Carl Hollywood, der sich auf seine neuen Stammesverpflichtungen besann, ging so weit, seinen Hut zu ziehen und sich zu verbeugen. Finkle-McGraw erwiderte den Gruß etwas zerstreut. »Bitte nehmen Sie meinen aufrichtigen Glückwunsch entgegen, Mr. Hollywood. Herzlich willkommen in der Phyle.«
    »Danke.«
    »Ich bedaure, daß ich keine Ihrer Produktionen im Hopkins sehen konnte - meine Freunde, die Gelegenheit hatten, waren alle des Lobes voll.«
    »Ihre Freunde sind zu gütig«, sagte Carl Hollywood. Er war noch nicht ganz sattelfest, was die Etikette betraf. Das Kompliment einfach so zu akzeptieren wäre anmaßend gewesen; die Andeutung, die Freunde Seiner Gnaden verstünden nichts vom Theater, hätte keine große Verbesserung bedeutet; er entschied sich für die weniger gefährliche Anschuldigung, daß diese Freunde über Güte im Überfluß verfügten.
    Finkle-McGraw löste sich vom Geländer und ging mit für einen Mann seines Alters schnellen Schritten am Ufer entlang.
    »Ich gestatte mir die Bemerkung, daß Sie eine wertvolle Bereicherung für unsere Phyle sind, die zwar auf den Gebieten Handel und Wissenschaft brilliert, aber mehr Künstler haben möchte.«
    Carl, der nicht in die Kritik an dem Stamm einstimmen wollte, auf dessen Prinzipien er gerade eben einen feierlichen Eid geschworen hatte, schürzte die Lippen und überlegte sich eine mögliche Antwort.
    Finkle-McGraw fuhr fort: »Glauben Sie, wir ermutigen unsere eigenen Kinder nicht genug, sich den Künsten zuzuwenden, oder sind wir für Männer Ihres Schlages nicht anziehend genug, oder beides?«
    »Bei allem

Weitere Kostenlose Bücher