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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Sauerteigfladen bereits mit Marmelade. Als sie Teller und Besteck auftrug, nahm Hackworth ein großes, unbeschriebenes Blatt Papier in die Hand. »Das Übliche«, sagte er, und plötzlich war das Blatt nicht mehr unbeschrieben; es war die Titelseite der
Times.
    Hackworth bekam alle Nachrichten, die seinem gesellschaftlichen Status angemessen waren, und darüber hinaus einige wahlweise Zusatzdienste: die jüngsten Hervorbringungen seiner liebsten Cartoonisten und Kolumnisten rund um die Welt; Berichte über verschiedene eigentümlich verschrobene Themen, welche ihm sein Vater übermittelte, den nach all den Jahren noch immer die Besorgnis quälte, er könnte seinen Sohn nicht hinreichend ausgebildet haben; und Berichte über die Uitländer – einen Substamm von New Atlantis, der aus Personen britischer Herkunft bestand, die vor mehreren Jahrzehnten aus Südafrika geflohen waren. Hackworths Mutter war eine Uitländerin, daher hatte er diesen Service abonniert.
    Ein Gentleman von höherer Stellung oder weiterreichender Verantwortung hätte wahrscheinlich andere, in einem anderen Stil geschriebene Informationen bekommen, und die Oberschicht von New Chusan bekam die
Times
wirklich und wahrhaftig auf Papier, von einer großen, antiken Presse gedruckt, die jeden Morgen gegen drei Uhr etwa hundert Exemplare herstellte.
    Daß die höchsten Gesellschaftsschichten Nachrichten erhielt, die mit Tinte auf Papier geschrieben waren, verriet einiges über die Schritte, die New Atlantis unternommen hatte, um sich von anderen Phylen zu unterscheiden.
    Inzwischen hatte die Nanotechnologie fast alles möglich gemacht, daher war die kulturelle Aufgabe, zu entscheiden, was damit getan werden
sollte,
weitaus wichtiger als Überlegungen, was damit getan werden
konnte.
Zu den Einsichten der Viktorianischen Renaissance gehörte die Erkenntnis, daß es nicht unbedingt gut war, wenn jeder am Morgen eine vollkommen andere Zeitung las; je höher der Rang war, den man in der Gesellschaft bekleidete, um so mehr ähnelte die
Times,
die man bekam, der seiner Vorgesetzten.
    Es gelang Hackworth beinahe, sich anzukleiden, ohne Gwendolyn zu wecken, aber sie räkelte sich, als er seine Uhrkette um verschiedene winzige Knöpfe und Taschen seines Gehrocks schlang. Außer der Uhr baumelten noch zahlreiche andere Glücksbringer daran, zum Beispiel eine Schnupftabakdose, die ihm zuzeiten ein gewisses forsches Auftreten ermöglichte, und ein goldener Füller, der jedesmal einen leisen Glockenton von sich gab, wenn er Post empfing.
    »Schönen Tag bei der Arbeit, Liebling«, murmelte sie. Dann blinzelte sie ein- oder zweimal, runzelte die Stirn und richtete den Blick auf den Chintzbaldachin über dem Bett. »Du wirst heute damit fertig, richtig?«
    »Ja«, sagte Hackworth. »Es wird spät. Sehr spät.«
    »Ich verstehe.«
    »Nein«, stieß er hervor. Dann riß er sich zusammen. Das war es, wurde ihm klar.
    »Liebling?«
    »Nicht deswegen - das Projekt wird auch ohne mich beendet. Aber ich glaube, nach der Arbeit werde ich ein Geschenk für Fiona besorgen. Etwas Besonderes.«
    »Wenn du zum Essen zu Hause sein könntest, wäre das etwas Besonderes - besser als alles, was du ihr kaufen kannst.«
    »Nein, Liebling. Dies ist etwas anderes. Das verspreche ich dir.«
    Er gab ihr einen Kuß und ging zur Eingangstür. Mrs. Hull erwartete ihn mit seinem Hut in einer und seiner Aktentasche in der anderen Hand. Sie hatte bereits das Pedomobil aus dem MC geholt und neben der Tür bereitgestellt; es war schlau genug zu erkennen, daß es sich noch drinnen befand, und daher hatte es die langen Beine fast völlig eingefahren und bot praktisch keinerlei mechanischen Vorteil. Hackworth stellte sich auf die Pedale und spürte, wie sich die Gurte entfalteten und seine Beine umklammerten.
    Er sagte sich, daß er immer noch einen Rückzieher machen konnte. Aber da stach ihm etwas Rotes ins Auge, er schaute genauer hin und sah, wie Fiona, deren rotes Haar in alle Richtungen abstand, in ihrem Nachthemd den Flur entlangkroch, um Gwendolyn zu überraschen, und der Ausdruck in ihren Augen verriet ihm, daß sie alles gehört hatte. Er hauchte einen Kuß zu ihr hinüber und schritt resolut zur Tür hinaus.
     

Bud wird angeklagt; bemerkenswerte Eigenheiten der Konfuzianischen Rechtsprechung;
er wird aufgefordert, einen langen Spaziergang
auf einem kurzen Pier zu unternehmen.
    Bud hatte die vergangenen paar Tage im Freien verbracht, in einem Gefängnis im tiefgelegenen, stinkenden Delta des

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