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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Harmonie die Feederleitungen der fremdländischen Teufel verbrannten.
    »Du bist ein neugieriges Mädchen«, sagte Madame Ping. »Das ist normal. Aber du darfst nie einen anderen Menschen – besonders einen Kunden – deine Neugier sehen lassen. Suche niemals Informationen. Sitz still und warte, bis sie dir die Informationen bringen. Was sie verbergen, verrät mehr als das, was sie preisgeben. Hast du verstanden?«
    »Ja, Madame«, sagte Nell und drehte sich mit einem angedeuteten Knicks zu ihrer Gesprächspartnerin um. Statt die chinesische Etikette zu wählen und Mißgeschicke in Kauf zu nehmen, entschied sie sich für die viktorianische Vorgehensweise, die ganz gut funktionierte. Für dieses Gespräch hatte ihr Henry (der junge Mann, der ihr Tee angeboten hatte) ein paar harte Ucus vorgestreckt, die sie darauf verwendet hatte, ein hinreichend anständiges langes Kleid, einen Hut, Handschuhe und Schleier zu kompilieren. Sie war nervös hineingegangen, hatte aber nach ein paar Minuten festgestellt, daß die Entscheidung, sie einzustellen, irgendwie bereits getroffen worden war und diese kleine Sitzung eher den Charakter eines Orientierungsgesprächs hatte.
    »Warum ist der viktorianische Markt so wichtig für uns?« fragte Madame Ping und betrachtete Nell durchdringend.
    »Weil New Atlantis eine der drei reichsten Phylen ist.«
    »Nicht richtig. Der Wohlstand von New Atlantis ist groß, ja. Aber seine Bevölkerung beträgt nur ein paar Prozent. Der erfolgreiche Mann in New Atlantis ist beschäftigt und hat nur wenig Zeit für Drehbuchphantasien. Er besitzt viel Geld, weißt du, hat aber kaum Gelegenheit, es auszugeben. Nein, dieser Markt ist wichtig, weil alle anderen - die Männer aller anderen Phylen, einschließlich vieler aus Nippon - wie viktorianische Gentlemen sein wollen. Schau die die Ashantis an - die Juden - die Küstenrepublik. Tragen sie traditionelle Kostüme? Manchmal. Für gewöhnlich jedoch tragen sie Anzüge nach viktorianischem Muster. Sie tragen Schirme aus der Old Bond Street mit sich. Sie besitzen ein Buch mit Sherlock-Holmes-Geschichten. Sie spielen in viktorianischen Raktiven mit, und wenn sie ihre natürlichen Bedürfnisse befriedigen müssen, dann kommen sie zu mir, und ich biete ihnen eine Drehbuchphantasie an, die ursprünglich von einem anderen Gentleman in Auftrag gegeben worden war, der sich über die Brücke von New Atlantis herübergeschlichen hat.« Madame Ping verwandelte, ein wenig untypisch für sie, zwei ihrer Klauen in laufende Beine, die sie über die Tischplatte wandern ließ wie ein verstohlener Vicky-Gentleman, der versucht, sich nach Shanghai zu schleichen, ohne von einem Monitor aufgespürt zu werden. Nell verstand den Wink, hielt eine Hand vor den Mund und kicherte.
    »Auf diese Weise vollbringt Madame Ping ein Zauberkunststück - sie verwandelt einen zufriedenen Kunden aus New Atlantis in tausend Kunden von allen Stämmen.«
    »Ich muß gestehen, daß ich überrascht bin«, sagte Nell. »Unerfahren, wie ich in diesen Dingen bin, hätte ich gedacht, daß jeder Stamm andere Vorlieben zur Schau stellen würde.«
    »Wir verändern das Drehbuch ein wenig«, sagte Madame Ping, »wegen der kulturellen Unterschiede. Aber die Geschichte selbst ändert sich nie. Es gibt viele Menschen und viele Stämme, aber nur soviel Geschichten.«

Seltsame Rituale im Wald; die Reformierte Verzettelte Republik;
eine außergewöhnliche Unterhaltung in einer Blockhütte;
CryptNet;
die Hackworths brechen auf.
    Ein halber Tag gemächlichen Reitens brachte sie weit in die Vorgebirge der Cascades, wo die Wolken, die in endloser Folge vom Pazifik hereingeweht wurden, an dem steilen Terrain nach oben gedrückt wurden und sich ihrer gewaltigen Ladungen Feuchtigkeit entledigten. Gigantische Bäume, deren Stämme von Moos überwuchert waren, stiegen ohne Äste bis weit über die Köpfe der Reitenden empor. Die Landschaft bildete ein Schachbrett aus alten Waldstücken und Flecken, die im vergangenen Jahrhundert abgeholzt worden waren; Hackworth versuchte, Kidnapper zu letzteren zu lenken, weil fehlendes Unterholz und umgestürzte Baumstämme das Vorankommen erleichterten. Sie kamen durch die verfallenen Überreste einer Holzfällerstadt, die zur Hälfte aus kleinen Blechhütten und zur Hälfte aus rostigen Wohnmobilen bestand. Hinter schmutzigen Fensterscheiben konnte man undeutlich handgeschriebene Tafeln erkennen: D IESER H AUSHALT IST AUF DAS G ELD DER H OLZBRANCHE ANGEWIESEN . Drei Meter hohe

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