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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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weitere bemüht trockene Bemerkungen darüber ausgetauscht hatten, ob sie ihre Rechnungen bezahlen sollten, bevor sie das Hotel verließen, und wieviel Trinkgeld man einem Pagen geben sollte, der einen mit einem Fleischermesser verfolgte, kamen sie überein, daß der sicherste Weg hinaus der durch die Küche wäre. Ein halbes Dutzend tote Fäuste, deren Körper von den Spuren von Freudenspendern gezeichnet waren, lagen auf dem Boden. Als sie zur Tür vorgedrungen waren, fanden sie zwei andere Gäste, beide Israelis, die sie mit den starren Blicken betrachteten, die auf Schädelkanonen hindeuteten. Sekunden später stießen noch zwei Unternehmensberater vom Stamm der Zulus zu ihnen, die lange Stöcke mit Nanoklingen an den Enden trugen, mit denen sie sämtliche Leuchtkörper auf ihrem Weg zerstörten. Carl brauchte einen Moment, bis er ihren Plan durchschaut hatte: Sie waren im Begriff, eine dunkle Gasse zu betreten, und auf ihre Nachtsicht angewiesen.
    Die Tür erbebte unter gewaltigem Krachen in ihren Angeln. Carl trat vor und spähte durch das Guckloch; zwei Jungs vom Typ Großstadtrüpel bearbeiteten sie mit einer Axt. Er wich von der Tür zurück, ließ das Gewehr mit einem Zucken von der Schulter gleiten, lud durch und feuerte durch die Tür, ohne auf die Jugendlichen zu zielen. Das Krachen brach sofort ab, und sie hörten die Axt wie eine Glocke klingeln, als sie zu Boden fiel.
    Einer der Zulus trat die Tür auf und sprang auf die Gasse hinaus, worauf er seine Klinge in einem weiten, tödlichen Bogen schwang wie den Rotor eines Helikopters, und dabei einen Mülleimer durchtrennte, aber keine Menschen. Als Carl einige Sekunden später zur Tür herauskam, sah er ein paar junge Bengels, die die Gasse hinunterpreschten und sich zwischen mehreren Dutzend Flüchtlingen, Pennern und Bettlern hindurchzwängten, die hilfreich auf ihre entschwindenden Kehrseiten deuteten und keinen Zweifel daran aufkommen ließen, daß sie sich lediglich als eine Art Blockwache für die
Gwailo-
Besucher um diese Zeit hier aufhielten.
    Ohne viele Worte zu verlieren, nahmen die sechs Männer auf der Gasse, wo sie genügend Platz hatten eine behelfsmäßige Formation ein. Die Zulus gingen voraus, schwenkten ihre Stöcke über den Köpfen und stimmten eine Art traditionellen Kriegsgesang an, der eine ganze Menge Chinesen in die Flucht schlug. Einer der Juden folgte den Zulus und erledigte mit seiner Schädelkanone sämtliche Fäuste, die sie angriffen. Danach kam Carl Hollywood, der mit seinem Gewehr und aufgrund seiner Größe prädestiniert für Fernaufklärung und Verteidigung zu sein schien. Oberst Spence und der andere Israeli bildeten die Nachhut und gingen die meiste Zeit rückwärts.
    Auf diese Weise brachten sie die Gasse weitgehend unbehelligt hinter sich, aber das war auch nicht schwer; als sie die Straße erreichten, waren sie nicht mehr der einzige Brennpunkt des Geschehens, sondern lediglich Sandkörnchen in einem Sturm. Oberst Spence feuerte fast ein ganzes Magazin in die Luft ab; die Schüsse waren in dem Chaos kaum zu hören, aber das Mündungsfeuer der Waffe erregte eine gewisse Aufmerksamkeit, so daß die Leute in der unmittelbaren Umgebung tatsächlich auswichen. Carl sah, wie einer der Zulus etwas ausgesprochen Häßliches mit seiner Waffe anstellte und sah hastig weg; dann überlegte er sich, daß es die Aufgabe des Zulus war, unmittelbare Bedrohungen auszuschalten, seine dagegen, sich auf weiter entfernte Gefahren zu konzentrieren. Er drehte sich, während er weiterging, immer wieder um und versuchte, nicht auf die Bedrohungen in Armeslänge zu achten, sondern sich einen generellen Überblick zu verschaffen.
    Sie waren in eine vollkommen unorganisierte Straßenschlacht zwischen den Streitkräften der Küstenrepublik und den Fäusten der Rechtschaffenen Harmonie geraten, und die Tatsache, daß sich viele Soldaten der Küstenrepublik getarnt hatten, indem sie rote Tücher um die Ärmel ihrer Uniformjacken banden, wohingegen viele der Fäuste gar keine Erkennungszeichen trugen, und daß viele, die an sich gar nichts damit zu tun hatten, die Situation ausnutzten und Geschäfte plünderten, wo sie von privaten Sicherheitskräften bekämpft wurden, trug nicht eben zur Klärung der Situation bei; viele der Plünderer wurden ihrerseits wieder von organisierten Banden ausgeraubt.
    Sie befanden sich auf der Nanjing Road, einer breiten Durchgangsstraße, die direkt zum Bund und zum Huang Pu führte und von vier- bis

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