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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Besonderheiten der zugrundeliegenden Technologie.
    Die Abteilung Sonderprojekte war in einer viktorianischen Villa auf einem Hügel untergebracht, einen Block lang und verschwenderisch ausgestattet mit Flügeln, Türmchen, Lichthöfen und luftigen Veranden. Hackworths Rang ermöglichte ihm kein Türmchen oder einen Balkon, aber er hatte Ausblick auf einen Garten, wo Gardenien und Buchsbaumhecken wuchsen. Wenn er am Schreibtisch saß, konnte er den Garten nicht sehen, aber riechen, besonders wenn der Wind vom Meer her wehte.
    Runcible lag in Form eines Stapels von Papieren auf seinem Schreibtisch, die überwiegend mit J OHN P ERCIVAL H ACKWORTH unterzeichnet waren. Er faltete Cottons Dokument auseinander. Cotton hatte eindeutig seinen Spaß gehabt. Niemand wurde je gefeuert, weil er sich dem übersteigerten Photorealismus verschrieb, aber für Hackworths eigene Signatur hatten Patentanträge aus dem neunzehnten Jahrhundert Pate gestanden: schwarz auf weiß, Grautöne mit einem fast mikroskopischen Raster erzeugt, altmodischer, an den Rändern etwas unebener Bleisatz. Das machte die Kunden verrückt – sie wollten die Darstellungen stets auf ihren Reißbrett-mediatrons vergrößern. Cotton hatte es geschafft. Er hatte seine Darstellung auf dieselbe Weise angefertigt, und daher sah seine nanotechnologische Batterie, die auf der Seite vor sich hin tuckerte, wie die Getriebewelle eines Edwardianischen Schlachtschiffes aus.
    Hackworth legte Cottons Dokument auf den Runcible-Stapel und guillotinierte es mehrmals auf der Schreibtischplatte, ein schuldbewußter Versuch, ihm ein ordentliches Aussehen zu verleihen. Er trug es in die Ecke seines Büros, zum Fenster, wo der Portier vor kurzem ein neues Möbelstück aufgestellt hatte: einen Schrank aus Kirschholz auf Messingrollen, der Hackworth bis zur Taille reichte. Obenauf befand sich ein Mechanismus aus poliertem Messing - ein automatischer Dokumentenleser mit abnehmbarer Ablage. Eine winzige Klappe an der Rückseite verriet die Feeder-Zufuhr, ein Zentimeter, was typisch für Haushaltsgeräte war, in der Schwerindustrie aber erstaunlich popelig wirkte, zumal das Schränkchen einen der leistungsstärksten Computer auf Erden enthielt - fünf Kubikzentimeter Stabprozessoren der Abteilung Sonderprojekte. Er verbrauchte etwa hunderttausend Watt Energie, die über den supraleitfähigen Teil des Feeders zugeführt wurde. Die Energie mußte umgewandelt werden, andernfalls hätte sich der Computer selbst entzündet, und einen großen Teil des Gebäudes dazu. Diese Energie abzubauen war ein weitaus größeres Problem gewesen als die Stabprozessoren. Ins jüngste Feeder-Protokoll war eine Lösung aufgenommen worden: Jetzt entfernte ein Mechanismus Eis von dem Feeder, ein mikroskopisches Kristall nach dem anderen, und gab Warmwasser ab.
    Hackworth legte den Dokumentenstapel auf die Ablage und gab der Maschine den Befehl, Runcible zu kompilieren. Ein Ratschen wie beim Kartenmischen ertönte, als der Scanner jede Seite kurz aufgriff und den Inhalt extrahierte. Die flexible Feeder-Leitung, die von der Wand in die Rückseite des Schränkchens verlief, zuckte und versteifte sich orgasmisch, während der Computer eine gewaltige Menge hypersonisches Eis einsaugte und warmes Wasser herauspreßte. Ein frisches Blatt fiel ins Ausgabetablett des Schränkchens.
    Im Kopf des Dokuments stand: R UNCIBLE V ERSION 1 .0 - KOMPILIERTE E INZELAUFSTELLUNG .
    Sonst war nur noch ein Bild des Endprodukts auf der Seite zu sehen, hübsch in Hackworths Pseudobleisatzmanier ausgeführt. Es sah genau wie ein Buch aus.
    Auf dem Weg die gewaltige Helixtreppe im geräumigsten und wichtigsten Lichthof der Abteilung Sonderprojekte hinunter dachte Hackworth über das Verbrechen nach, das zu begehen er im Begriff war. Jetzt war es zu spät für einen Rückzieher. Es verdroß ihn, daß er sich unbewußt schon vor Monaten entschieden hatte, ohne den Anlaß gebührend festzuhalten.
    Obwohl die Abteilung Sonderprojekte für Entwürfe und nicht für die Fertigung zuständig war, besaß sie eigene Materie-Compiler, auch einige ziemlich große, hundert Kubikmeter. Hackworth hatte sich ein bescheideneres Desktopmodell reserviert, ein Zehntel Kubikmeter. Die Benutzung dieser Compiler mußte autorisiert werden, daher identifizierte er als erstes sich und das Projekt. Danach akzeptierte die Maschine die Kante des Dokuments. Hackworth befahl dem Materie-Compiler, sofort anzufangen, dann sah er durch eine durchsichtige Wand aus

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