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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Grundprinzipien der fremden Denkweise vertraut zu machen, aber im großen und ganzen hatte er seine Transzendenz lieber unverhohlen und bloßliegend, so daß er sie im Auge behalten konnte – beispielsweise in einem hübschen Schaukasten aus Glas –, und nicht in den Stoff des Lebens eingewoben wie Goldfäden in Brokat.
    Jeder in dem Raum konnte schon am Geräusch hören, daß die mechanische Pumpe mit ihrem Teil der Arbeit fertig war. Der Dampfdruck ihres eigenen Öls war erreicht. Der Assistent schloß ein Ventil, das sie vom Rest des Systems abtrennte, und schaltete dann die Nanopumpen ein, die völlig geräuschlos arbeiteten. Dabei handelte es sich um Turbinen wie in Düsentriebwerken, nur viel kleiner und in großer Zahl. Als Hackworth die Vakuumanlage von Dr. X einer kritischen Bestandsaufnahme unterzog, stellte er fest, daß sie auch über einen Kammerjäger verfügten, einen etwa kindskopfsgroßen Zylinder, dessen Inneres mannigfach gefaltet war, wodurch eine ungeheuer große, mit Nanomechanismen überzogene Oberfläche entstand, deren Aufgabe es war, verstreute Moleküle einzufangen. Zwischen den Nanopumpen und dem Kammerjäger sank das Vakuum rapide etwa der Stufe entgegen, wie man sie zwischen der Milchstraße und dem Andromedanebel erwarten durfte. Dann erhob sich Dr. X selbst zitternd von seinem Stuhl, schlurfte durch den Raum und schaltete ein kunterbuntes Durcheinander illegaler Technologie ein.
    Die Ausrüstung entstammte unterschiedlichen technologischen Epochen und war aus den verschiedensten Erdteilen hierher ins Äußere Königreich geschmuggelt worden, aber alles zusammen diente einzig und allein einem Zweck: die mikroskopische Welt durch Röntgendiffraktion, Elektronenmikroskope und direkte Nanoscanner zu beobachten und sämtliche Informationen zu einem einzigen dreidimensionalen Bild zusammenzusetzen.
    Hätte Hackworth das an seinem Arbeitsplatz getan, wäre er längst fertig gewesen, aber das System von Dr. X war eine Art polnischer Demokratie, bei der das einstimmige Votum aller Beteiligten erforderlich war, und bearbeitete ein Subsystem nach dem anderen. Dr. X und seine Assistenten versammelten sich jeweils um das Subsystem, das ihnen am weitesten vom Schuß entfernt zu sein schien, und redeten eine Weile in einer Mischung aus Shanghainesisch, Mandarin und technischem Englisch aufeinander ein. Zu den angewendeten Korrekturverfahren gehörten (eine Liste, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt): Apparate aus- und wieder einschalten; Apparate einige Zentimeter hochheben und dann fallen lassen; Abschalten von unwichtigen Geräten in diesem und anderen Räumen; Deckel aufklappen und an Transistorplatten rütteln; das Entfernen geringfügiger Verschmutzungen, zum Beispiel Insekten und ihre Eier, mit nichtleitenden Holzstäbchen; an Kabeln ziehen; Weihrauch verbrennen; zusammengefaltete Papierblätter unter Tischbeine legen; in verdrossenem Schweigen Tee trinken; unsichtbare Mächte beschwören; Botenjungen mit erlesen kalligraphierten Nachrichten in andere Zimmer, Gebäude oder Bezirke schicken und warten, bis sie mit Ersatzteilen in verstaubten, vergilbten Kartons zurückkamen, dazu eine vergleichbar vielfältige Anzahl von Problemlösungstechniken im Softwarebereich. Ein großer Teil der Darbietung schien echt zu sein, der Rest diente nur dazu, Hackworth zu beeindrucken, um möglicherweise den Boden für eine Neuverhandlung der finanziellen Abmachungen zu bereiten.
    Schließlich betrachteten sie das abgetrennte Stückchen von John Percival Hackworth auf einem ein Meter langen Blatt Mediatron-papier, das einer der Assistenten unter eindrucksvollem Zeremoniell auf einem niederen schwarzen Lacktisch ausgebreitet hatte. Sie suchten etwas, das nach nanotechnologischen Maßstäben klobig war, daher wählten sie die Vergrößerung nicht besonders stark -dennoch sah die Oberfläche von Hackworths Haut wie ein Tisch aus, auf dem zusammengeknüllte Zeitungen lagen. Dr. X war nicht anzumerken, ob er Hackworths Nervosität teilte. Er schien mit auf dem Schoß seines bestickten Seidenkimonos gefalteten Händen dazusitzen, aber Hackworth beugte sich ein wenig nach vorne und sah seine zwei Zentimeter langen gelben Fingernägel auf dem schwarzen Kreuz eines alten Nintendo-Spiels. Die Finger bewegten sich, die Bilder auf dem Mediatron zoomten vorwärts. Etwas Glattes und Anorganisches kristallisierte sich am oberen Bildrand heraus: eine Art ferngesteuertes Werkzeug. Unter der Anleitung von Dr. X

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