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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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schnitt es durch die getrockneten Hautschichten.
    Selbstverständlich fanden sie eine Menge Milben, künstliche und natürliche. Die natürlichen sahen wie kleine Krabben aus und bewohnten die Haut anderer Lebewesen schon seit Hunderten Millionen von Jahren. Die künstlichen waren allesamt im Lauf der letzten Jahrzehnte entwickelt worden. Die meisten bestanden aus einer kugel- oder ellipsenförmigen Hülle mit verschiedenen Auswüchsen. Die Hülle war eine Vakuole, eine klitzekleine eutaktische Umwelt für die Maschinen-Phasen-Innereien der Milbe. Die diamontoide Struktur der Hülle wurde durch eine dünne Aluminiumschicht vor Licht geschützt, die den Milben das Aussehen von Miniaturraumschiffen verliehen – nur war in diesem Fall die Luft außen und das Vakuum innen.
    Verschiedene mechanische Anhängsel waren an der Hülle befestigt: Greifer, Sensoren, motorische Systeme und Fühler. Die Fühler hatten keinerlei Ähnlichkeit mit denen eines Insekts – für gewöhnlich handelte es sich um flache Flecken, die aussahen, als wären sie mit dichten Stoppeln bewachsen – phasengeordnete Systeme, die Lichtstrahlen im sichtbaren Spektrum durch die Luft schossen. Die meisten Milben waren deutlich mit dem Namen des Herstellers und einer Seriennummer gekennzeichnet; das verlangte das Protokoll. Einige waren nicht gekennzeichnet. Diese waren illegal und entweder von Leuten wie Dr. X gezüchtet worden oder von gesetzlosen Phylen, die das Protokoll nicht anerkannten, oder von versteckten Labors, die, wie die meisten Leute glaubten, von den Zaibatsus betrieben wurden.
    In der halben Stunde, die sie Hackworths Haut absuchten, eine Fläche von ungefähr einem Quadratmillimeter, fanden sie ein paar Dutzend künstliche Milben; heutzutage keine ungewöhnliche Anzahl. Die meisten waren zerstört. Milben hielten nicht sehr lange, da sie klein und komplex waren, was wenig Raum für überflüssige Systeme ließ. Sobald eine von kosmischer Strahlung getroffen wurde, starb sie. Darüber hinaus hatten sie wenig Platz für die Energiespeicherung, daher ging den meisten nach einer Weile einfach der Saft aus. Ihre Hersteller glichen das aus, indem sie ungeheuer viele davon anfertigten.
    Fast alle Milben waren irgendwie mit dem viktorianischen Immunsystem verbunden, und bei den meisten davon handelte es sich um Immunoküle, deren Aufgabe darin bestand, in der verschmutzten Küstenregion von New Chusan herumzufliegen und mit Hilfe von Lidar andere Milben zu orten, die sich nicht an das Protokoll hielten. Wenn sie eine fanden, töteten sie den Eindringling, indem sie ihn packten und nicht mehr losließen. Das System der Viktorianer griff auf Darwinsche Techniken zurück, um Killer zu schaffen, die sich an ihre Beute anpaßten, was zwar elegant und wirkungsvoll war, aber zur Erschaffung von Killern führte, die schlichtweg zu bizarr waren, als daß Menschen sie entworfen haben könnten; so wie Menschen, die eine ganze Welt erschufen, nie auf den Gedanken gekommen wären, den Stumpfschnauzenmull zu erfinden. Dr. X nahm sich die Zeit und zoomte auf einen ganz besonders bizarren Killer, der eine Milbe ohne Etikett in tödlicher Umklammerung festhielt. Das mußte nicht bedeuten, daß Hackworths Fleisch verseucht worden war; lediglich, daß tote Milben im Staub auf irgendeinem Tisch sich bei einer Berührung an seiner Haut festgesetzt hatten.
    Um die Art von Milbe deutlich zu machen, nach der er gerade suchte, hatte Hackworth eine Spitzklette mitgebracht, die er nach einem Spaziergang im Park aus Fionas Haar gepult hatte. Er hatte sie Dr. X gezeigt, der sofort verstand und sie schließlich auch fand. Sie unterschied sich deutlich von allen anderen Milben, da ihre Aufgabe als Klette allein darin bestand, sich daran festzuklammern, was sie als erstes berührte. Der Materie-Compiler in der Abteilung Sonderprojekte hatte sie vor wenigen Stunden erst hergestellt und, einer Anweisung Hackworths folgend, ein paar Millionen davon auf der Oberfläche der Illustrierten Fibel verteilt. Viele hatten sich auf Hackworths Haut festgesetzt, als er das Buch in die Hand nahm.
    Viele blieben auf dem Buch im Büro, doch das hatte Hackworth einkalkuliert. Worauf er nun in aller gebührenden Deutlichkeit hinwies, damit Dr. X und seine Mitarbeiter nicht auf dumme Gedanken kamen: »Die Klette besitzt einen internen Zeitzünder«, sagte er, »der dafür sorgt, daß sie sich zwölf Stunden nach ihrer Kompilierung selbst zerstört. Uns bleiben sechs Stunden, um Informationen

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