Diamonds & Rust
»Können wir dann auch nochmal in den Park gehen?«, fragte er hoffnungsvoll.
»Ja, natürlich – wir machen uns ein paar schöne Tage«, antwortete sie mechanisch, während sich die Gedanken in ihrem Kopf überschlugen.
Abwesend ging sie noch ein paar Minuten auf Dannys Geplauder ein, dann war es Zeit für die Schule.
Vanessa war nicht mehr nach Frühstück zumute, das Brot fühlte sich in ihrem Mund an wie Pappe, also stand sie kurzerhand auf, leerte den Rest in den Mülleimer und stellte den Teller dann neben das Spülbecken.
Nachdenklich ging sie zur Treppe, wie immer verfolgt von Antonias Blick, der heute noch eine Spur misstrauischer war als sonst.
»Er ist also auf Geschäftsreise«, sinnierte Vanessa, als sie wieder in ihrem Zimmer war.
Ihr Unbehagen wuchs. Natürlich war es im Grunde nicht ungewöhnlich, dass ein selbstständiger Architekt auch einmal geschäftlich verreisen musste, allerdings kam es ihr doch sehr merkwürdig vor, dass David davon kein Wort erwähnt hatte.
Es erschien ihr reichlich spontan und kurzfristig, und sie fragte sich, ob nicht doch ein Zusammenhang mit dem gestrigen Tag bestand. Ob er versuchte, ihr aus dem Weg zu gehen? Aber was würde das bringen? Er konnte nicht ewig wegbleiben, und die ganze Sache wurde dadurch auch nicht besser. Warum hatte er sie nicht einfach rausgeworfen?
Vielleicht wäre es das Beste, wenn sie einfach gehen würde?
Doch diesen Gedanken verwarf sie sofort wieder. Was auch immer es mit dieser plötzlichen Geschäftsreise auf sich hatte, David hatte Danny bei ihr gelassen, also konnte sie nicht einfach verschwinden und das Kind hier allein sitzenlassen.
Ihr blieb also nicht anderes übrig, als wie bisher ihrem gewohnten Tagesablauf nachzugehen, bis David wieder zurück war.
Immerhin hielt er sie trotz allem anscheinend immer noch für »normal« genug, ihr seinen Sohn anzuvertrauen, und so keimte in ihr ein wenig Hoffnung auf, dass der gestrige Vorfall bis zu seiner Rückkehr vielleicht erledigt sein würde.
Der Vormittag schleppte sich dahin, ebenso die Arbeit an ihrem Buch, Vanessa konnte sich kaum konzentrieren.
Sie war froh, als es endlich vierzehn Uhr war, und freute sich auf Danny, der sie ablenken würde. Der Nachmittag verging dann glücklicherweise recht schnell.
Jeremy, der den ganzen Tag im Büro gearbeitet hatte, leistete ihnen beim Abendessen Gesellschaft. Während er Danny zu Bett brachte, spülte Vanessa das Geschirr ab, und sie war gerade fertig, als Jeremy wieder nach unten kam.
»Soll ich dir noch etwas helfen?«, fragte Jeremy freundlich.
»Nein, alles schon erledigt, aber danke«, lächelte sie.
»Gut, dann fahre ich jetzt nach Hause, falls etwas sein sollte, kannst du mich jederzeit anrufen. Ansonsten sehen wir uns morgen.«
Vanessa warf ihm einen kurzen, prüfenden Blick zu. Er schien keineswegs überrascht von Davids plötzlicher Abreise, und sie fragte sich, ob David ihm irgendetwas von der gestrigen Sache erzählt hatte.
Doch Jeremy wirkte locker und offen wie immer, also wünschte sie ihm noch eine gute Nacht und schloss dann die Haustür hinter ihm ab.
Im selben Augenblick fiel ihr ein, dass er vielleicht wusste, wann David zurückkommen würde, doch sie wollte ihm deswegen jetzt nicht hinterherlaufen und nahm sich vor, ihn morgen danach zu fragen.
Sie saß noch eine Weile auf der Couch und sah sich einen Dokumentarfilm an, bis sie merkte, dass sie schläfrig wurde.
Nachdem sie alle Lichter ausgeschaltet hatte, ging sie nach oben. Automatisch wollte sie Dannys Tür öffnen, um noch kurz nach ihm zu sehen, als ihr einfiel, dass er ja in Davids Bett schlafen wollte.
Sie zögerte. Diesen Raum hatte sie noch nie betreten, es war Davids Schlafzimmer und sie hatte dort nichts zu suchen. Ihr war auch nicht ganz wohl bei dem Gedanken dort hineinzugehen, doch er hatte Danny erlaubt dort zu schlafen, was implizierte, dass Vanessa das Zimmer betreten musste, wenn sie ihn zu Bett bringen würde.
Also öffnete sie leise die Tür, gerade so weit, dass ein wenig Licht vom Flur hineinfallen und sie Danny erkennen konnte. Vorsichtig ging sie zum Bett, zog ihm die Decke ein wenig zurecht und drückte ihm noch sanft einen Kuss auf die Stirn.
Genauso geräuschlos verließ sie den Raum wieder, und kurz darauf lag sie in ihrem Bett.
Der Dienstag unterschied sich bis auf einen wolkenlos blauen Himmel kaum vom Tag zuvor.
Lediglich Jeremy überraschte Vanessa, indem er zum Mittagessen mit einer Flasche Wein aus dem Arbeitszimmer kam und sie
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