Diamonds & Rust
inzwischen alleine; da mir jedoch wirklich viel an dem Auftrag liegt, und Mr. Reynold immer wieder betont hat, wie sehr er und seine Gattin sich darauf freuen würden, meine Frau kennenzulernen, möchte ich Sie bitten, für diesen Abend einzuspringen.« Mit undurchdringlichem Gesicht sah er sie an, und als sie nicht antwortete, fügte er hinzu: »Ich bezahle Ihnen das natürlich extra.«
Ein bunter Reigen widersprüchlicher Gefühle tobte durch Vanessa. Von Jeremy wusste sie, dass David, nachdem Linda verschwunden war, sein restliches Geld darauf verwendet hatte, Danny hier ein neues Zuhause zu schaffen. Er arbeitete hart und war auf jeden Auftrag angewiesen. Andererseits fand sie es dreist und völlig daneben, so etwas von ihr zu verlangen, schließlich kannten sie sich kaum und sie war hier nur als Kindermädchen angestellt, nicht als Begleitservice.
»Warum sagt er nicht einfach, seine Frau ist plötzlich krank geworden?«, dachte sie unbehaglich, und als hätte er ihre Gedanken gelesen, erklärte er weiter:
»Reynold ist ein ausgesprochener Familienmensch, er ist seit über fünfundzwanzig Jahren mit seiner Frau verheiratet, wie er immer stolz betont hat, und hat damals jede Gelegenheit genutzt, mir Fotos von seinen Kindern und Enkelkindern zu zeigen. Der Auftrag ist mir wirklich sehr wichtig, und Ihre Anwesenheit als meine Frau könnte ausschlaggebend sein.«
Vanessa zögerte. Sollte sie sich wirklich auf so eine verrückte Geschichte einlassen? Eine mahnende Stimme in ihrem Kopf sagte ihr deutlich »Nein«, doch David tat ihr auch irgendwie leid, und wenn er ihr diesen Abend extra bezahlen wollte, könnte sie einen weiteren Teil von Michaels Schulden zurückzahlen. Also nickte sie zögernd.
»Gut«, sagte er zufrieden, und für einen Augenblick bemerkte sie ein seltsames Glitzern in seinen Augen.
Doch dann stand er auch schon auf, ging zu seinem Schreibtisch und griff in eine Schublade.
»Ich weiß nicht, ob Sie etwas Passendes zum Anziehen haben, wir werden im Bridgeport Inn zu Abend essen, also wäre etwas Elegantes wohl angebracht.«
Sie hatte sich inzwischen auch erhoben, und er drückte ihr eine Kreditkarte in die Hand.
»Falls nicht, fahren Sie in die Stadt und kaufen sich alles Nötige, ich komme dafür auf.«
Das Gespräch schien beendet zu sein, denn er wandte sich wieder seinem Schreibtisch zu, und verwirrt verließ Vanessa sein Arbeitszimmer und ging nach oben.
Grübelnd saß sie an ihrem Schreibtisch, irgendwie kam ihr alles so unwirklich vor.
»Solche Dinge gibt es doch nur in schlechten Romanen, im echten Leben passiert doch so etwas nicht«, dachte sie kopfschüttelnd, doch die Kreditkarte in ihrer Hand belehrte sie eines Besseren.
Sie hätte sich ohrfeigen können, dass sie sich auf so einen Unsinn eingelassen hatte, das war ja wohl das Absurdeste, was man sich vorstellen konnte.
Für einen Moment hatte Vanessa den Impuls, wieder nach unten zu gehen, und ihm zu sagen, dass sie es sich anders überlegt hätte.
Doch dann dachte sie daran, wie David zu kämpfen gehabt hatte, nachdem seine Frau und ihr Liebhaber ihn finanziell fast ruiniert hatten, dachte daran, wie unablässig er dafür arbeitete, dass es Danny an nichts fehlte, und sie wurde wieder weich.
»Schließlich ist es nur ein Essen«, beruhigte sie sich, und kroch in ihr Bett.
Zwei Tage später beobachtete Antonia, wie Vanessa zur Haustür herein kam, eine Tüte mit der Aufschrift eines sehr teuren Schuhgeschäfts in der Hand, über dem anderen Arm ein in eine durchsichtige Schutzfolie eingehülltes Kleid, das ebenfalls sehr teuer aussah.
»Woher hat dieses Weibsbild so viel Geld?«, dachte sie argwöhnisch, »Irgendetwas geht doch hier vor sich.«
Ihr boshafter Blick verfolgte Vanessa, bis sie die Treppe hinaufgegangen und verschwunden war, und sie nahm sich vor, Vanessa in nächster Zeit noch besser im Auge zu behalten.
Kapitel 15
E s war Samstagnachmittag, und unruhig stand Vanessa vor dem Spiegel und machte sich zurecht. Jeremy hatte Danny nach dem Mittagessen abgeholt, er würde dort die Nacht verbringen, und so hatte Vanessa genug Zeit, um in Ruhe zu duschen und sich anzuziehen.
Nachdem sie mit ein paar geschickten Handgriffen ihr Haar hochgesteckt hatte, trug sie noch ein wenig Make-up auf, und ging dann nach unten.
David wartete im Wohnzimmer bereits auf sie, als er sie kommen hörte, drehte er sich zu ihr um.
Er musterte sie, und in seinen Augen war wieder dieses seltsame Glitzern.
Vanessa wurde unsicher.
Nachdem
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