Diana - sTdH 5
sank
auf ihren Stuhl und versuchte die Tränen zurückzuhalten, die ihr in die Augen
stiegen. Sie war eine dumme Gans, ein leichtgläubiger Gimpel, eine richtige
Landpomeranze.
Sie, Diana
Armitage, war einer Bande ins Netz gegangen, die die Aufgabe hatte, Männer zum
Dienst in der Flotte zu zwingen!
Die Angst
hob die Wirkung des Rums auf. Ihre großen Augen schauten nach rechts und links,
um sich die Chancen, zu entkommen, auszurechnen. Amos Duffy war aufgestanden
und stand zwischen ihr und der Tür. James Smith ließ deutlich eine große
Sattelpistole sehen, die aus seinem Stiefel herausragte.
Sollte sie
die Tatsache enthüllen, daß sie eine Frau war? Diana verwarf diesen Gedanken
jedoch ebenso schnell, wie sie ihn gefaßt hatte. Sie war sicher, daß die drei
Männer begeistert davon wären, dann eben ein anderes Spiel mit ihr zu spielen.
Plötzlich
hörte man einen leichten Schritt auf dem oberen Deck.
»Hilfe!«
schrie Diana. »Helfen Sie mir!«
»Halt die
Fresse!« Sie fühlte die Pistole am Ohr. »Feßle ihn und stopf ihm einen Knebel
ins Maul«, brummte Amos. »Du gehst rauf, Pomfret, und schaust, was da los ist.«
Diana wurde
geknebelt, gefesselt und in eine Ecke geschleift. Dort wurde sie mit dem
Gesicht nach unten fallengelassen und mit einer Decke bedeckt.
Sie lag vor
Angst zitternd da. Sie sandte stumme Stoßgebete zum Himmel. Gott strafte sie,
weil sie ihr Geschlecht verraten hatte. Zum erstenmal erkannte Diana die volle
Tragweite dessen, was sie getan hatte. Sie hatte ihr geachtetes Elternhaus
verlassen, um sich mit einem berüchtigten Wüstling zusammenzutun. Sie richtete
ihre Familie zugrunde. Sie konnte nur beten, daß diese groben Kerle nicht
darauf kamen, daß sie eine Frau war, bevor sie es fertigbrachte, mit einem
Offizier zu sprechen. Denn wenn sie ihr Geschlecht entdeckten, würden sie sie
zuerst vergewaltigen und dann töten – davon war sie überzeugt.
Diana
glaubte fest daran, daß ihre erstickten Gebete über die Schiffsmasten und den
Londoner Nebel emporstiegen bis zu den Ohren eines gestrengen Gottvaters, der
wahrscheinlich keinen Finger rühren würde, um sie zu retten, da jedermann
schließlich wußte, daß man für seine Sünden bestraft werden mußte.
Auf einmal
hörte sie eine vertraute Stimme. Sorglos, kühl und gedehnt sprach Lord Dantrey
draußen vor der Kajüte. »Es hat keinen Sinn, Mr. Pomfret – falls Sie wirklich
so heißen, zu versuchen, sich bei mir einzuschmeicheln. Ich bin kein
Hinterwäldler, der sich von Ihresgleichen in die Flotte zwingen läßt. Ich bin
mir ganz sicher, daß Sie meinen Schützling hier haben. Und ich werde dafür
sorgen, daß Sie mitsamt Ihren sauberen Spießgesellen in Charing Cross an den
Pranger gestellt werden. Oder soll ich mich etwas deutlicher ausdrücken? Wenn
Sie nicht augenblicklich meinen Schützling Mr. Armitage zutage bringen, jage
ich Ihnen eine Kugel durch den Kopf.«
Diana
hörte, wie der Hahn einer Pistole gespannt wurde. Sie versuchte, gegen ihre
Knebel anzuschreien.
Sie wälzte
sich auf die Seite und schaffte es, ihr Gesicht von der Decke zu befreien, so
daß sie sehen konnte, was in der Kajüte vor sich ging. Amos stand hinter der
Tür und hielt einen dicken Stock mit beiden Händen nach oben. Er hatte offenbar
die Absicht, Lord Dantrey zusammenzuschlagen, sobald dieser im Türrahmen
erschien. Dianas Augen waren vor Schreck noch größer als sonst, und ihr
Gesicht hatte jede Farbe verloren. Sie stieß blindlings mit ihren gefesselten
Beinen in die Gegend und versuchte Amos dadurch von der Tür abzulenken.
Die Tür
flog auf. Lord Dantrey drehte sich blitzschnell um und packte Mr. Pomfret am
Kragen und stieß ihn vor sich her in den Raum. Amos traf zuverlässig und
zielsicher den unglücklichen Mr. Pomfret genau auf den Kopf. Mr. Smith eilte
herzu, blieb beim Anblick der Pistole in Lord Dantreys Hand aber stehen.
Lord
Dantreys Augen fielen auf die vier Gläser auf dem Tisch und suchten dann den
Raum ab, bis er schließlich die sich windende Gestalt in der Ecke sah.
»Binden Sie
ihn los!« befahl Lord Dantrey Amos mit einer entsprechenden Pistolenbewegung.
Unter viel Brummen, daß er nur seine Pflicht im Dienste des Königs tue, ging
Amos daran, Diana zu befreien. »Kommen Sie her und stellen Sie sich hinter
mich, Mr. Armitage«, bestimmte Lord Dantrey. Diana richtete sich mühsam auf und
mußte sich am Tisch festhalten, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
»Nun, meine
Herren«, sagte Lord Dantrey, »setzen Sie
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