Diana - sTdH 5
Meer.
Sie ging
näher heran, fasziniert erinnerte sie sich an ihre Kindheit, als sie davon
geträumt hatte, zur See zu fahren.
»Hallo,
junger Herr.« Ein verwittertes Männchen in einer lächerlichen Seemannsuniform
kam um das Schiff herum. »Hätten Sie nicht Lust, an Bord zu kommen und sich ein
bißchen umzusehen? Es kostet nicht viel.«
»Wieviel?«
fragte Diana aufgeregt. Die hundert Pfund, die in Hopeworth so viel wert waren,
schienen jetzt eine ganz kleine Summe zu sein. Limmer's war furchtbar teuer.
Was in aller Welt sollte sie bloß machen, wenn man von ihr erwartete, daß sie
spielte?
»Einen
Shilling, junger Herr. Nur einen Shilling. Der Name ist Pomfret.«
»Gut, Mr.
Pomfret«, erwiderte Diana. »Ich würde sehr gern Ihr Schiff sehen.«
»Es ist
nicht meines. Es gehört zur Flotte Seiner Majestät, des Königs von England.«
Er ging
über eine Planke voran. Nach einer ungefähr zehnminütigen Führung kam Diana zu
dem Schluß, daß Mr. Pomfret keinen sehr hohen Rang bekleiden konnte und
wahrscheinlich nur wenig Bewegungsfreiheit auf dem Schiff hatte, denn er kannte
nicht einmal die einzelnen Masten auseinander und wußte auch nicht, wo der Bug
und wo das Heck war.
Dafür
erzählte er anschauliche Geschichten aus der Zeit, wo ihn die Piraten
gefangengenommen hatten, und Diana, die ihm nur die Hälfte glaubte, lehnte
verträumt an der Reling und schaute über die wogende See des Londoner Nebels.
»Und jetzt
zeige ich Ihnen die Mannschaftskajüten.« Mr. Pomfret ging gebückt eine steile
Treppe hinunter, die zu den unteren Decks führte, und Diana kletterte ihm nach,
wobei ihre altmodischen Stiefel mit den viereckigen Spitzen einen ziemlichen
Lärm machten.
»Als
erstes«, sagte Mr. Pomfret gutgelaunt, »genehmigen wir uns einen Schluck. Hier
sind wir. Meine beiden Kameraden: Bootsmann James Smith und Steuermann Amos
Duffy.«
Die beiden
Männer waren vierschrötige, kräftig aussehende Kerle. Sie strömten einen üblen
Geruch aus. James Smith hatte nur eine Auge, und Amos Duffy hatte nur ein Bein.
Diana erwartete beinahe, daß ihr Führer nur ein Ohr hatte. Sie fragte sich
beunruhigt, ob die Mannschaft dieses vor Anker gegangenen Schiffes aus Männern
bestand, die einige Körperteile eingebüßt hatten.
Plötzlich
hatte sie das Bedürfnis zu gehen. Aber Mr. Pomfret hatte einen Stuhl für sie
herangezogen, und Amos Duffy goß ein Glas Rum ein.
»Gerade vom
Land gekommen, hm?« fragte James Smith und klopfte
Diana auf den Rücken, als sie sich beim Trinken verschluckte.
Diana
nickte stumm.
»Und ist
die Familie vom jungen Herrn auch dabei?«
»Nein, ich bin alleine hier«, sagte
Diana.
Die drei
Männer tauschten Blicke. »Da, trinken Sie noch einen Schluck«, rief Mr. Pomfret
und füllte Dianas Glas noch einmal.
»Ich muß
wirklich gehen«, sagte Diana, sich halb erhebend. Amos Duffys muskulöse Hand
drückte sie wieder auf den Stuhl.
»Was denn,
Kamerad. Sie werden uns einfache Leute doch nicht beleidigen wollen? Sie wollen
wohl keinen mit uns trinken?«
»Doch,
doch«, beteuerte Diana und kam sich verdächtig schwach und weiblich vor. »Es
ist nur, weil ich ... oh, einverstanden. Ich trinke dieses eine Glas noch und
dann muß ich wirklich gehen.«
Der Rum
brannte ihr in der Kehle und im leeren Magen. Der Alkohol stieg ihr zu Kopf und
dämpfte ihre unerklärliche Furcht ein bißchen. Denn was in aller Welt sollte
ihr schon auf dem Tower Hill mitten in London passieren?
Mr. Pomfret
schob seinen Stuhl näher an Diana heran. »Ich will Ihnen was sagen, junger
Herr«, sagte er mit einem verschlagenen Seitenblick. »Der Teufel soll mich
holen, wenn ich mich erinnern kann, wann mir je ein junger Mann so gut gefallen
hat. Deshalb hab' ich mich dazu entschlossen.« Er fummelte in seiner
schmuddeligen Weste herum, brachte einen Shilling zum Vorschein und hielt ihn
hoch. »Das ist der Shilling, den Sie mir gegeben haben, ich gebe ihn zurück.
Hier, nehmen Sie ihn.«
»Nein,
behalten Sie ihn bitte, Mr. Pomfret«, antwortete Diana.
»Nehmen Sie
ihn, oder wir sind tödlich beleidigt«, grollte Amos Duffy.
Diana
blickte hilflos von einem zum anderen und nahm dann den Shilling. »Und wenn Sie
mich jetzt entschuldigen wollen ...« Sie erhob sich entschlossen.
»Hinsetzen!«
blaffte Mr. Pomfret. »Willkommen in der Flotte des Königs, Junge.«
»Ich
v-verstehe nicht«, stotterte Diana.
»Das war
der Königshilling, den Sie genommen haben. Deshalb sind Sie jetzt in der
Flotte, junger Mann!«
Diana
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