Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diaspora

Diaspora

Titel: Diaspora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
Vom Netzwerk:
die Pupillen, ihr Sichtfeld ragten darüber hinaus. Dieser Kompromiß war nicht nur im Grunde eine groteske anatomische Unmöglichkeit, sondern verursachte ihm allmählich eine seltsame Mischung aus Schwindel und Klaustrophobie. Die Insel war in den zusätzlichen Dimensionen unendlich dünn, und er konnte deutlich sehen, daß die leichteste hyperale Bewegung seines Körpers ihn wie einen betrunkenen kosmischen Säulenheiligen in den Raum stürzen lassen würde. Gleichzeitig vermittelte die physikalische Gefangenschaft, die ihn genau daran hinderte, das Gefühl, zwischen zwei Glasscheiben gequetscht zu sein oder unter einer bizarren neurologischen Erkrankung zu leiden, die ihm die Fähigkeit nahm, sich in bestimmte Richtungen zu bewegen. »Meinen ursprünglichen Zustand wiederherstellen.« Sein Sichtfeld kollabierte vergleichsweise zu einer Lochmaske, und für einen Moment kam er sich so entsetzlich geschrumpft vor, daß er heftig den Kopf bewegte, um seine Scheuklappen abzuschütteln. Dann war sein Sichtfeld unvermittelt wieder beruhigend normal, und der weite Himmel der Makrosphäre war nur noch wie die verblassende Erinnerung an eine schwindelerregende optische Täuschung.
    Er wischte sich den Schweiß von den Augen. Es war zumindest ein Anfang gewesen. Ein kleiner Vorgeschmack auf die Wirklichkeit. Vielleicht würde er irgendwann den Mut aufbringen, sich mit fünfdimensionaler Anatomie durch eine vollständig fünfdimensionale Landschaft zu bewegen. Abgesehen von der irritierenden Möglichkeit, einen Blick auf seine eigenen inneren Organe werfen zu können – wie ein Flachländer, der seinen Kopf aus der Ebene krümmte –, müßte er wie eine Scherenschnittfigur das Gleichgewicht halten, wenn er seinen simulierten Körper nicht um zwei Dimensionen erweiterte und somit zusätzlich in die quadrale und quintale Richtung fallen konnte.
    Doch selbst wenn er die Anatomie und die Instinkte erwarb, sich in fünf Dimensionen zu orientieren, hätte er damit nur die Oberfläche angekratzt. Es gäbe vieles mehr, an das er sich anpassen müßte. Als Körperlicher hatte er mehrere Male mit Geräten getaucht, doch er war kaum in der Lage gewesen, mit amphibischen Vitalen zu kommunizieren. Die Transformer hielten sich mindestens seit einer Milliarde Jahre hier auf – oder der vergleichbaren Makrosphärenzeit, entsprechend der Zeitrate der wahrscheinlichsten biochemischen oder cybernetischen Prozesse. Natürlich waren sie intelligente Geschöpfe, die ihr Schicksal kontrollierten, und keine gestrandeten Fische, die über die richtigen Mutationen verfügen mußten, um zu überleben. Vielleicht hatten sie sich überhaupt nicht verändert. Möglicherweise hatten sie sich wie gute Realisten – oder gute Abstraktionisten – an Simulationen ihrer altbekannten Welt gehalten.
    Doch nach Äonen mochten sie sich entschlossen haben, sich an ihre neue Umgebung zu akklimatisieren. In diesem Fall konnte sich eine Kommunikation als unmöglich erweisen, es sei denn, in der Expedition fand sich jemand, der bereit war, ihnen auf halbem Wege entgegenzugehen.
    Jemand, der bereit war, eine Brücke zu schlagen und zwischen ihnen zu vermitteln.
     
    Das Flugdeck war überfüllt, wodurch es zur perfekten Umgebung wurde, um die Auseinandersetzung mit unerwarteten Hindernissen zu üben. Trotzdem verbrachte Orlando die meiste Zeit damit, gebannt die Aussicht zu betrachten. Eine gesamte Wand der Landschaft in Form eines Penterakts bestand aus einem großen Fenster, und das vergrößerte Bild von Poincaré dahinter forderte einfach dazu auf, nichts zu tun, als dazustehen und es anzustarren. Sich in öffentlichen 5-Landschaften zu bewegen machte Orlando immer noch sehr befangen, weniger aus Furcht, flach auf das Gesicht zu fallen, sondern eher aus der starken Empfindung, daß es gar nicht sein Verdienst war, wenn er nicht umfiel. Sein 5-Körper war mit zahllosen wertvollen Reflexen ausgestattet, genauso wie es bestimmt auch bei jedem Lebewesen der Makrosphäre der Fall war, doch wenn er sich auf diese fremden Instinkte verließ, fühlte er sich, als würde er einen Telepräsenz-Roboter steuern, der mit so vielen autonomen Reaktionen programmiert war, daß jede Anweisung, die er ihm gab, im Grunde überflüssig war.
    Er blickte auf den Boden des Fensters und stellte fest, daß selbst die trivialsten Details einer 5-Landschaft faszinierend sein konnten. Der Tesserakt des Fensters traf sich mit dem Tesserakt des Bodens nicht in einer Linie, sondern einem

Weitere Kostenlose Bücher