Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diaspora

Diaspora

Titel: Diaspora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
Vom Netzwerk:
genauso zufrieden gewesen wäre, all dies im Reich der plausiblen Phantasien zu belassen. Am Ende war es auf eine einzige Frage hinausgelaufen: Wenn Inoshiro sein Vorhaben allein verwirklichte, würde es sie beide voneinander entfremden? Yatima hatte zu heiner Überraschung festgestellt, daß hie nicht bereit war, dieses Risiko einzugehen.
    Hie schlug zögernd vor: »Vielleicht wollen wir gar nicht die vollen vierundzwanzig Stunden bleiben.« Sechsundachtzig Megatau. »Was ist, wenn dieser Ort leer ist und es gar nichts zu sehen gibt?«
    »Es ist eine Enklave der Körperlichen. Hier kann es nicht leer sein.«
    »Der letzte bekannte Kontakt liegt Jahrhunderte zurück. Sie könnten inzwischen ausgestorben sein, fortgezogen sein … irgend etwas.« Nach einem achthundert Jahre alten Vertrag war es Drohnen und Satelliten nicht erlaubt, in die Privatsphäre der Körperlichen einzudringen. Die paar Dutzend verstreuten urbanen Enklaven, wo ihre eigenen Gesetze es ihnen gestatteten, die Natur vollständig zu kontrollieren und konzentrierte Siedlungen anzulegen, wurden als unantastbar behandelt. Sie besaßen ihr eigenes globales Kommunikationsnetzwerk, doch es gab keinerlei Verbindung zu dem der Koalition. Verletzungen von beiden Seiten, die auf den Introdus zurückdatierten, hatten diese Trennung erzwungen. Inoshiro hatte darauf bestanden, daß eine Fernsteuerung der Gleisner via Satellit von Konishi aus moralisch der Aussendung einer Drohne gleichzusetzen wäre. Und die Satelliten, die auf die Erfüllung des Vertrages programmiert waren, hätten es niemals zugelassen. Doch in zwei autonome Roboter zu fahren, die aus dem Dschungel zu Besuch kamen, war etwas völlig anderes.
    Yatima blickte sich im dichten Gebüsch um und widerstand dem sinnlosen Drang, seinen Blickpunkt ein paar hundert Meter weiterspringen zu lassen oder sich über den hohen Wald zu erheben, um sich einen besseren Überblick über das Terrain zu verschaffen. Fünfzig Kilotau. Einundfünfzig. Zweiundfünfzig. Kein Wunder, daß die meisten Körperlichen in Scharen in die Poleis geströmt waren, sobald sie die Gelegenheit dazu gehabt hatten. Wenn Krankheit und Alter nicht Grund genug waren, dann waren es Schwerkraft, Reibung und Trägheit. Die physikalische Welt war ein gewaltiger, chaotischer Hindernisparcours aus sinnlosen und willkürlichen Schikanen.
    »Wir sollten uns lieber in Bewegung setzen.«
    »Nach Ihnen, Livingston.«
    »Wir sind auf dem falschen Kontinent, Inoshiro.«
    »Also Geronimo? Huckleberry? Dorothy?«
    »Verschone mich damit!«
    Sie brachen in nördlicher Richtung auf. Die Drohne summte hinter ihnen her, ihre einzige Verbindung zur Polis, die ihnen die Chance zur schnellen Flucht bot, falls sie in Schwierigkeiten gerieten. Sie folgte ihnen auf den ersten anderthalb Kilometern, bis zum Rand der Enklave. Es gab keinerlei Grenzmarkierung – auf beiden Seiten wuchs der gleiche dichte Dschungel –, aber die Drohne weigerte sich, die imaginäre Linie zu überqueren. Es hätte ihnen auch nichts genützt, wenn sie sich statt dessen einen eigenen Sender-Empfänger gebaut hätten, denn die Footprints der Satelliten waren so geformt, daß diese Region präzise ausgestanzt war. Sie hätten eine Basisstation ausrichten können, um von außen hineinzusenden … aber dazu war es jetzt zu spät.
    »Was wäre das Schlimmste, was geschehen könnte?« fragte Inoshiro.
    »Treibsand«, erwiderte Yatima ohne Zögern. »Wenn wir beide im Treibsand versinken, so daß wir nicht einmal mehr untereinander kommunizieren könnten. Wir würden unter der Oberfläche festsitzen, bis uns die Energie ausgeht.« Hie überprüfte den Energiespeicher heines Gleisners, eine Scheibe aus magnetisch in der Schwebe gehaltenem Antikobalt. »In sechstausendsiebenunddreißig Jahren.«
    »Oder in fünftausendneunhundertzwanzig.« Das Sonnenlicht drang nun in breiten Strahlen in den Wald ein. Ein Schwarm aus rosa-grauen Vögeln in den Zweigen über ihnen gab krächzende Laute von sich.
    »Allerdings würde unser Exo-Ich nach zwei Tagen unsere Konishi-Version neustarten – also können wir genausogut Selbstmord begehen, wenn wir sicher sind, daß wir bis dahin nicht zurückkehren können.«
    Inoshiro betrachtete hie neugierig. »Würdest du das tun? Ich fühle bereits einen deutlichen Unterschied zu meiner Konishi-Version. Ich würde gerne weiterleben. Und vielleicht würde in ein paar Jahrhunderten jemand vorbeikommen und uns herausziehen.«
    Yatima dachte darüber nach. »Auch ich

Weitere Kostenlose Bücher