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Diaspora

Diaspora

Titel: Diaspora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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einer Plazenta oder eines Exo-Ichs lief, in die Gleisner-Version übertragen worden, die im Gegensatz zu den Polis-Konventionen direkt in die Hardware dieses Roboters implementiert war. In gewisser Weise hatte hie nun keine eigene Vergangenheit mehr, sondern nur noch gefälschte Erinnerungen und eine Persönlichkeit aus zweiter Hand … Trotzdem fühlte es sich an, als wäre hie lediglich von der Savanne in den Dschungel gesprungen, als ein und dieselbe Person, vorher und nachher, mit intakten Invarianten.
    Die originale Yatima-Persönlichkeit war vor der Übertragung durch hein Exo-Ich suspendiert worden, und wenn alles nach Plan verlief, würde dieser eingefrorene Snapshot nie wieder neu gestartet werden müssen. Der Yatima-Klon im Gleisner würde in die Konishi-Polis zurückgeklont (und in den Konishi-Shaper zurückgespielt) werden, worauf dann sowohl das Konishi-Original als auch der Gleisner-Klon gelöscht würden. In philosophischer Hinsicht unterschied es sich kaum von der Versetzung innerhalb der Polis von einer Sektion des physikalischen Speichers in eine andere – ein unmerklicher Vorgang, den das Betriebssystem von Zeit zu Zeit mit jedem Bürger durchführte, um fragmentierten Speicherplatz wieder zusammenzuführen. Und subjektiv war der gesamte Ausflug vermutlich fast genauso, als hätte man die Gleisner ferngesteuert betrieben, statt buchstäblich in sie zu fahren.
    Wenn alles nach Plan verlief.
    Yatima blickte sich nach Inoshiro um. Die Sonne hatte kaum den Horizont überschritten, geschweige denn den Himmel erreicht, doch die visuellen Systeme des Gleisners lieferten nichtsdestoweniger ein klares, kontrastreiches Bild. Schenkelhohes Gebüsch mit großen, dunkelgrünen, hängenden und linsenförmigen Blättern bedeckte den Boden des nahen Waldes aus schweren Stämmen hoch aufragender Harthölzer. Die Interface-Software, die sie zusammengeschustert hatten, schien zu funktionieren. Der Kopf und die Augen des Gleisners folgten den Blickwinkelanweisungen Yatimas ohne spürbare Verzögerung. Der achthundertmal langsamere Zeitablauf war offenbar ausreichend, um die Maschine nicht zu überfordern – solange hie nicht vergaß, keine diskontinuierlichen Bewegungen bewirken zu wollen.
    Der andere verlassene Gleisner saß neben hie in der Vegetation. Der Oberkörper war nach vorn gekippt, die Arme hingen schlaff herab. Die Polymerhaut war kaum noch zu erkennen, nachdem sie von taufeuchten Flechten und einer dünnen Schicht aus eingefangenem Erdreich überzogen worden war. Die moskitogroße Drohne, die sie benutzt hatten, um sich in die Prozessoren des Gleisners einzuklinken – und die überhaupt erst auf die unbenutzten Roboter gestoßen war –, klebte immer noch am Hinterkopf des Dings, um den winzigen Einstich zu reparieren, der notwendig gewesen war, um Zugang zu einer Glasfaserleitung zu erhalten.
    »Inoshiro?« Das Linear-Wort kehrte unverzüglich durch die Interface-Software zu Yatima zurück und war nun mit all den ungewohnten Resonanzen des Gleisner-Gehäuses angereichert und gleichzeitig durch das Durcheinander und die Feuchtigkeit des Dschungels auf merkwürdigen Frequenzen gedämpft. Keine Polis-Landschaft besaß einen solchen … unschuldigen, ungekünstelten Nachhall. »Bist du da drin?«
    Die Drohne summte und erhob sich von der versiegelten Wunde. Der Gleisner drehte Yatima den Kopf zu und schüttelte dabei feuchten Sand und Fragmente verwesender Blätter ab. Mehrere große rote Ameisen, die plötzlich im Freien waren, liefen verwirrte Achten auf der Schulter des Gleisners, schafften es aber, nicht herunterzufallen.
    »Ja, ich bin hier, keine Panik.« Yatima empfing nun die vertraute Signatur über eine Infrarotverbindung; instinktiv bestätigte hie sie. Inoshiro streckte versuchsweise seine Aktuatoren, was hie von weiterem Mulch und Schmutz befreite. Yatima spielte mit seiner eigenen Mimik, doch die Interface-Software schickte ausschließlich Etiketten zurück, die besagten, daß hie unmögliche Deformationen probierte.
    »Wenn du aufstehst, befreie ich dich von deiner Dreckschicht.« Inoshiro kam mühelos auf die Beine; Yatima verlangte einen höheren Blickpunkt, und das Interface sorgte für die entsprechende Bewegung des Roboters.
    Hie ließ sich von Inoshiro abklopfen und entstauben, während hie sehr aufmerksam auf den detaillierten Strom von Etiketten achtete, die die Druckveränderungen auf ›heiner‹ Polymerhaut beschrieben. Sie hatten mit dem Interface vereinbart, die Haltung der

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