Diaspora
die meisten barfuß. Zwischen den Gebäuden befanden sich Blumenbeete, Teiche und Bäche, starre und bewegliche Statuen, Sonnenuhren und Teleskope. Alles war Raum und Licht, dem Himmel geöffnet. Es gab Parks, die groß genug waren, um Drachen steigen zu lassen und Ball zu spielen, und Menschen, die im Schatten kleiner Bäume saßen und sich unterhielten. Die Haut heines Gleisners versorgte hie mit Etiketten, die die Wärme des Sonnenlichts und die Beschaffenheit des Grases beschrieben. Yatima bereute es beinahe, sich nicht umfassend modifiziert zu haben, um diese Informationen instinktiv aufnehmen zu können.
»Was ist mit dem Atlanta des Prä-Introdus geschehen?« fragte Inoshiro. »Mit den Wolkenkratzern? Den Fabriken? Den Wohnblöcken?«
»Einiges davon steht noch. Vom Dschungel überwuchert, weiter im Norden. Ich könnte euch später hinführen, wenn ihr möchtet.«
Yatima meldete sich schnell zu Wort, bevor Inoshiro antworten konnte. »Vielen Dank, aber soviel Zeit haben wir nicht.«
Orlando nickte Dutzenden von Leuten zu, begrüßte einige namentlich und stellte einigen Yatima und Inoshiro vor. Yatima versuchte, die angebotenen Hände zu schütteln, aber es erwies sich als äußerst komplexes dynamisches Problem. Niemand schien ihnen gegenüber feindselig eingestellt zu sein, doch Yatima fand ihre Gestalt-Gesten verwirrend, und niemand gab mehr als ein paar höfliche Worte von sich, bevor sie weitergingen.
»Hier wohne ich.«
Das Gebäude war blaßblau, hatte eine S-förmige Fassade und ein kleineres, elliptisches Obergeschoß. »Ist das … eine Art Stein?« Yatima strich über die Wand und achtete auf die Etiketten. Die Oberfläche war bis in den Submillimetermaßstab glatt, aber gleichzeitig so weich und kühl wie die Rinde, die hie im Wald berührt hatte.
»Nein, es lebt. Wenn auch nicht sehr. Es bestand aus sprießenden Zweigen und Blättern, als es noch wuchs, aber jetzt reicht der Stoffwechsel nur noch für Reparaturen und ein wenig aktive Lufterneuerung.«
Ein Streifenvorhang vor dem Eingang teilte sich für Orlando, und sie folgten ihm ins Innere. Hier gab es Kissen und Stühle, unbewegte Bilder an der Wand und überall staubfunkelnde Balken aus Sonnenlicht.
»Setzt euch.« Sie starrten ihn nur an. »Nein? Gut. Könnt ihr hier eine Sekunde warten?« Er stieg eine Treppe hinauf.
Inoshiro sagte benommen: »Wir sind wirklich hier. Wir haben es wirklich geschafft.« Hie sah sich im sonnigen Raum um. »Und so leben sie. So schlecht sieht es gar nicht aus.«
»Abgesehen vom Zeitablauf.«
Hie zuckte die Achseln. »Wozu lassen wir in den Poleis die Zeit rasen? Zuerst beschleunigen wir uns, so schnell es geht, dann kämpfen wir darum, uns dadurch nicht verändern zu lassen.«
Yatima war verärgert. »Was ist daran verkehrt? Die Langlebigkeit hat nicht viel Sinn, wenn sich alles, was man mit der Zeit anfängt, in etwas ganz anderes verwandelt. Oder zu überhaupt nichts zerfällt.«
Orlando kehrte zurück, in Begleitung einer weiblichen Körperlichen. »Das ist Liana Zabini. Inoshiro und Yatima aus der Konishi-Polis.« Liana hatte braunes Haar und grüne Augen. Sie schüttelten die Hände. Yatima lernte allmählich, wie man es bewerkstelligte, ohne entweder zuviel Widerstand zu leisten oder den Arm zu schlaff hängen zu lassen. »Liana ist unsere beste Neuroembryologin. Ohne sie hätten die Mittler keine Chance.«
»Wer sind die Mittler?« fragte Inoshiro.
Liana warf Orlando einen Blick zu. »Du solltest lieber mit dem Anfang beginnen«, sagte er zu ihr.
Orlando überzeugte alle, sich zu setzen. Yatima erkannte nun, daß es so für die Körperlichen bequemer war.
»Wir nennen uns Mittler«, sagte Liana. »Als die Gründer vor drei Jahrhunderten aus Turin hierherkamen, hatten sie einen sehr spezifischen Plan. Wißt ihr, daß es seit dem Introdus Tausende künstlicher genetischer Veränderungen in verschiedenen Populationen der Körperlichen gegeben hat?« Sie deutete auf ein großes Bild, das hinter ihr an der Wand hing, worauf das Porträt verblaßte und durch ein komplexes, auf dem Kopf stehendes Baumdiagramm ersetzt wurde. »Verschiedene Vitale haben Modifikationen an allen möglichen Charakteristika vorgenommen. Ein Teil davon waren einfache, pragmatische Anpassungen an neue Nahrungsmittel oder Umwelten und betrafen das Verdauungssystem, den Stoffwechsel, die Atmung oder Muskulatur und Skelett.« An einigen Stellen des Baumes leuchteten Bilder auf, von amphibischen, geflügelten und
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