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Diaspora

Diaspora

Titel: Diaspora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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einzelgeschlechtlich; die übrigen waren hermaphroditisch oder parthenogenetisch-asexuell wie gewisse Spezies der Vitalen.
    Nach der Besichtigung der Einrichtungen verkündete Orlando, daß nun Essenszeit sei, worauf sie in einem Hof Platz nahmen und ihn bei der Nahrungsaufnahme beobachteten. Die weiteren Mitarbeiter der Genschmiede versammelten sich in der Nähe. Nur wenige sprachen direkt zu ihnen, die meisten benutzten Dolmetscher. Ihre Fragen klangen häufig recht seltsam, selbst nach einer längeren Diskussion zwischen Fragesteller und Übersetzer. – »Woher wißt ihr, welche Teile der Welt ihr seid – in den Poleis?« – »Gibt es Bürger in Konishi, die Musik essen?« – »Ist der Besitz eines Körper nicht wie ein ständiger Fall, ohne sich von der Stelle zu bewegen?« – Und nach dem Gelächter zu urteilen, das ihre Antworten hervorrief, schien der umgekehrte Prozeß ähnlich unvollkommen zu verlaufen. In einem gewissen Umfang fand tatsächlich echte Kommunikation statt – aber dazu war sehr viel Mutmaßung und Geduld notwendig.
    Orlando hatte versprochen, ihnen Fabriken und Silos, Galerien und Archive zu zeigen … doch immer mehr Leute kamen vorbei, um mit ihnen zu reden – oder sie einfach nur anzustarren –, und während der Nachmittag verging, wurden ihre ursprünglichen Pläne zu reiner Phantasie. Vielleicht hätten sie auf Eile drängen können, ihre Gastgeber daran erinnern können, wie kostbar ihre Zeit war, doch nach einigen Stunden erschien es allmählich absurd, daß sie sich vorgestellt hatten, in nur einem Tag viel mehr unternehmen zu können. Hier ließ sich der Zeitablauf nicht verändern, und sich in aller Hast umzusehen wäre ihnen wie eine Gewalttat vorgekommen. Während sich der Megatau verflüchtigte, versuchte Yatima nicht daran zu denken, welche Fortschritte hie in dieser Zeitperiode in den Wissensminen hätte erzielen können. Hie war nicht auf der Jagd – und die Minen wären immer noch da, wenn hie zurückkehrte.
    Irgendwann drängten sich die Menschen so dicht im Hof hinter der Genschmiede, daß Orlando alle Versammelten antrieb, in ein Gartenrestaurant umzuziehen. Als es zu dämmern begann und Liana sich zu ihnen gesellte, gingen den Leuten allmählich die Fragen aus. Die meisten hatten sich in kleineren Gruppen abgesondert, um unter sich über ihre Besucher zu diskutieren.
    Schließlich führten die vier ihre Gespräche unter den Sternen fort – die durch das schmale Spektralfenster der Atmosphäre matt und stark gefiltert wirkten. »Natürlich haben wir sie vom Weltraum aus gesehen«, prahlte Inoshiro. »In den Poleis sind die Orbitalsonden einfach nur irgendwelche Adressen.«
    Orlando sagte: »Es drängt mich zu erwidern: ›Ja, aber ihr habt sie niemals mit eigenen Augen gesehen!‹ Nur daß es gar nicht wahr ist. Ihr seht die Sterne auf genau dieselbe Weise, wie ihr alles andere seht.«
    Liana lehnte sich gegen seine Schulter und fügte spöttisch hinzu: »Was genau dieselbe Weise ist, wie jeder sieht. Nur weil unsere geistigen Prozesse wenige Zentimeter von unseren Kameras entfernt stattfinden, heißt das nicht, daß unsere Erfahrungen dadurch magisch erhöht werden.«
    »Nein«, räumte Orlando ein. »Aber das ist ein Unterschied.«
    Er küßte sie. Yatima fragte sich, ob Blanca und Gabriel jemals so etwas taten – sofern Blanca sich modifiziert hatte, um es zu ermöglichen … und zu einer angenehmen Erfahrung zu machen. Kein Wunder, daß Blancas Eltern gegen alles waren. Daß Gabriel geschlechtlich orientiert war, stellte keine große Sache dar, schließlich ging es nur um die abstrakte Frage der Selbst-Definition. Doch in Carter-Zimmerman taten fast alle, als hätten sie einen greifbaren Körper. In Konishi wurde bereits die Idee der Festigkeit, die atavistische Illusion der Körperlichkeit mit Hemmnis und Zwang gleichgesetzt. Bereits wenn ein Icon einem anderen in einer öffentlichen Landschaft den Weg versperren konnte, war die Autonomie verletzt. Es war einfach barbarisch, die Freuden der Liebe wieder mit Vorstellungen wie Kraft und Reibung zu verbinden.
    »Was haben die Gleisner vor?« fragte Liana. »Wißt ihr es? Zuletzt hörten wir, daß sie irgend etwas im Asteroidengürtel tun – aber das ist schon fast hundert Jahre her. Haben schon welche das Sonnensystem verlassen?«
    »Nicht persönlich«, antwortete Inoshiro. »Sie haben Sonden zu einigen benachbarten Sternen geschickt, aber noch keine intelligente Entität. Und wenn sie es tun, werden sie es

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