Diaspora
photosynthetischen Vitalen, Nahaufnahmen von modifizierten Zähnen, Diagramme von veränderten Stoffwechselprozessen. Orlando erhob sich von seinem Sitz und zog die Vorhänge zu. Darauf verbesserte sich der Kontrast der Bilder.
»Häufig wurden durch Umweltveränderungen neurale Modifikationen erforderlich, um neue angepaßte Instinkte zu programmieren. Zum Beispiel kann niemand ohne die richtigen Reflexe im Ozean überleben.« Ein glatthäutiger amphibischer Körperlicher stieg langsam durch smaragdgrünes Wasser auf, und ein feiner Strom aus Bläschen trat aus Klappen hinter heinen Ohren aus. Ein farbiges Diagramm zeigte die Konzentration von gelösten Gasen in heinem Gewebe und Blutkreislauf an, und ein eingefügter Graph illustrierte die Sicherheitsmargen.
»Einige neurale Anpassungen gingen jedoch weit über neue Instinkte hinaus.« Das Geäst des Baumes wurde sichtlich dünner, doch es gab immer noch dreißig oder vierzig gegenwärtige Verzweigungen. »Es existieren Spezies von Vitalen, die Aspekte der Sprache, der Wahrnehmung und des Denkens verändert haben.«
»So wie die Traumaffen?« sagte Inoshiro.
Liana nickte. »Das ist ein Extrem. Ihre Vorfahren reduzierten die Sprachzentren bis auf das Niveau der höheren Primaten. Sie besitzen nach wie vor eine höhere allgemeine Intelligenz als alle anderen Primaten, aber ihre materielle Kultur hat sich dramatisch zurückgebildet. Und sie können sich jetzt nicht mehr selbst modifizieren, selbst wenn sie es wollten. Ich bezweifle sogar, daß sie noch ihren eigenen Ursprung kennen.
Die Traumaffen sind allerdings die Ausnahme – der freiwillige Verzicht auf Möglichkeiten. Die meisten Vitalen haben konstruktivere Veränderungen ausprobiert: Sie haben neue Methoden entwickelt, die physikalische Welt in ihrem Geist zu repräsentieren, und spezialisierte neurale Strukturen hinzugefügt, um mit den neuen Kategorien umgehen zu können. Es gibt Vitale, die die komplexesten und abstraktesten Konzepte der Genetik, Meteorologie, Biochemie oder Ökologie genauso intuitiv handhaben können wie jeder Statische mit ›gesundem Menschenverstand‹, der sich im Laufe jahrmillionenlanger Evolution entwickelt hat, über einen Stein, eine Pflanze oder ein Tier nachdenken kann. Und andere haben lediglich angeborene neurale Strukturen modifiziert, um herauszufinden, wie diese Veränderung ihr Denken beeinflußt. Sie sind auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, ohne bestimmte Ziele im Auge zu haben.« Yatima verspürte eine unheimliche Resonanz mit heiner eigenen Situation … obwohl bislang nichts darauf hinwies, daß heine Mutationen hie in unerforschte Gewässer verschlagen hatten. Wie Inoshiro es auszudrücken pflegte: »Mit dir hat man endlich die Eigenschaftsfelder für die ultimative Bereitschaft zur Wissenssuche gefunden. Eltern werden in den nächsten zehn Gigatau um diese netten, gefälligen ›Yatima‹-Parameter bitten.«
Liana breitete in einer Geste der Verzweiflung die Arme aus. »Das einzige Problem mit all diesen Expeditionen ist – daß einige Spezies der Vitalen sich so sehr verändert haben, daß sie gar nicht mehr mit anderen kommunizieren können. Verschiedene Gruppen sind in bestimmte Richtungen vorgestoßen, um neue Arten des Denkens auszuprobieren – doch nun können sie einander kaum noch verstehen, nicht einmal mit vermittelnder Software. Es ist nicht nur eine Frage der Sprache – oder zumindest nicht in der Hinsicht, was Sprache für die Statischen darstellt, wenn alle im Prinzip identische Hirne besitzen. Sobald unterschiedliche Gemeinschaften beginnen, die Welt in unterschiedliche Kategorien aufzuteilen, und völlig unterschiedliche Interessen entwickeln, wird eine globale Kultur im Sinne der Prä-Introdus-Ära unmöglich. Wir fragmentieren uns. Wir verlieren einander.« Sie lachte, als müßte sie ihre Ernsthaftigkeit ausgleichen, doch Yatima erkannte genau, daß ihr dieses Thema sehr am Herzen lag. »Wir alle haben uns entschlossen, auf der Erde zu bleiben und organisch zu bleiben … aber wir bewegen uns trotzdem auseinander – vermutlich viel schneller als ihr in euren Poleis!«
Orlando, der hinter ihrem Stuhl stand, legte ihr eine Hand auf die Schulter und drückte sie leicht. Sie hob ihre Hand und legte sie auf seine. Yatima fand diesen Anblick faszinierend, versuchte aber, nicht zu starren. Hie sagte: »Und welche Stellung haben die Mittler im Gesamtbild?«
»Wir versuchen, die Lücken auszufüllen«, sagte Orlando.
Liana deutete auf das
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