Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diaspora

Diaspora

Titel: Diaspora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
Vom Netzwerk:
und Frequenz der Wellen auf magische Weise erhalten blieb.
    Das Signal mußte authentisch sein.
    Was bedeutete, daß der Energieverlust real war.
    Was geschah da draußen? Beziehungsweise war geschehen – vor einem Jahrhundert? Karpal betrachtete eine Reihe von Zahlen, die den Abstand der Neutronensterne angaben und aus den Werten ihrer Umlaufzeiten errechnet worden waren. Sie hatten sich seit dem Beginn der Beobachtungen konstant um etwa achtundvierzig Millimeter pro Tag angenähert. Doch während der letzten vierundzwanzig Stunden war die Entfernung plötzlich um 7000 Kilometer geringer geworden.
    Karpal geriet für einen Moment in schwindelerregende Panik, doch dann löste sich der Anfall mit einem Lachen. Eine so spektakuläre Rate konnte keinesfalls über einen längeren Zeitraum konstant bleiben. Abgesehen von der Gravitationsstrahlung gab es nur zwei Möglichkeiten, wie einem solchen massiven kosmischen Schwungrad Energie entzogen werden konnte: durch Reibungsverlust an Gas oder Staub, was zu wahrhaft astronomischen Temperaturen führen mußte (und durch das Fehlen von Ultraviolett- oder Röntgenstrahlung ausgeschlossen war), oder durch den Transfer von Gravitationsenergie in ein anderes System, hervorgerufen durch einen unsichtbaren Eindringling, zum Beispiel ein vorbeiziehendes Schwarzes Loch. Doch alles, was in der Lage war, mehr als einen Bruchteil des Bahnimpulses von G-1 zu übernehmen, hätte längst von TERAGO registriert werden müssen, und alles, was weniger Substanz besaß, wäre fortgeschleudert worden wie ein Kiesel von einem rotierenden Schleifstein – oder wäre wie eine explodierende Zentrifuge auseinandergerissen worden.
    Karpal ließ die jüngsten Daten der sechs nächsten TERAGO-Detektoren durch die Software analysieren, statt eine Stunde abzuwarten, bis die komplette Auswertung vorlag. Es gab immer noch keinen Hinweis auf einen Eindringling – nur die klassische Signatur eines Systems aus zwei Körpern – und kein Anzeichen, daß der Energieverlust aufhörte oder auch nur geringer wurde.
    Im Gegenteil – er wurde sogar stärker.
    Wie konnte das sein? Karpal erinnerte sich plötzlich an eine alte Idee, die er vorübergehend als Erklärung für die leichten Anomalien in Betracht gezogen hatte. Individuelle Neutronen waren stets farbneutral, sie enthielten jeweils ein rotes, ein grünes und ein blaues Quark, die fest miteinander verbunden waren. Doch wenn die Neutronen in den Kernen beider Sterne zu einem Meer aus ungebundenen Quarks ›geschmolzen‹ waren, die sich wahllos umherbewegen konnten, mußte ihre Farbe sich nicht notwendigerweise überall neutralisieren. Die Kozuch-Theorie ließ zu, daß die vollkommene Symmetrie zwischen roten, grünen und blauen Quarks gebrochen wurde. Allerdings blieb es normalerweise ein sehr flüchtiges Ereignis, doch es war möglich, daß bestimmte Interaktionen zwischen den Neutronensternen solche Zustände stabilisieren konnten. Quarks einer bestimmten Farbe konnten eine höhere ›lokale Schwere‹ in einem Kern entwickeln, was dazu führte, daß sie etwas tiefer sanken, bis die Anziehung der anderen Quarks ihnen wieder Auftrieb gab. Im zweiten Kern würden die Quarks derselben Farbe leichter werden und aufsteigen. Eine weitere Rolle spielten Gezeitenkräfte und Fliehkraftwirkungen.
    Die farblichen Unterschiede wären nur winzig, mußten aber dramatische Effekte zeigen. Die zwei umeinander kreisenden, polarisierten Kerne würden energiereiche Mesonenstrahlen erzeugen, die als Bremse für die Orbitalbewegungen der Neutronensterne wirkten – sozusagen eine nukleare Entsprechung der Gravitationsstrahlung, die jedoch durch die starke Kernkraft vermittelt wurde und daher viel energiereicher war. Die Mesonen mußten sofort in andere Partikel zerfallen, doch diese Sekundärstrahlung wäre dann sehr eng gebündelt, und da das Sonnensystem in einem steilen Winkel über der Orbitalebene von Lac G-1 stand, konnte man die Strahlen von hier aus niemals beobachten. Zweifellos würden sie auf spektakuläre Weise sichtbar werden, sobald sie auf interstellares Medium trafen, doch nach nur sechzehn Tagen waren sie immer noch im Bereich des recht extremen Vakuums unterwegs, das die Neutronensterne in den letzten paar Milliarden Jahren leergefegt hatten.
    Das gesamte System würde sich wieder in ein gigantisches Feuerrad verwandeln, dessen Funken in umgekehrter Richtung und mit gegensätzlichem Spin davonflogen. Und während sich der Bahnimpuls verringerte, würde die

Weitere Kostenlose Bücher