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Diaspora

Diaspora

Titel: Diaspora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Laserstation oben auf dem Grat direkt über der Baracke erkennen. Die eigentlichen Strahlen waren natürlich unsichtbar, da es hier nichts gab, woran sich das Licht brechen konnte, aber wenn Karpal sich Bullialdus von oben betrachtet vorstellte, versah er das Bild automatisch mit einem blauen L, einem rechten Winkel, der drei Punkte auf dem Kraterwall miteinander verband.
    Bullialdus war ein Gravitationswellendetektor, der zu einem das gesamte Sonnensystem umfassenden Observatorium mit der Bezeichnung TERAGO gehörte. Ein einziger Laserstrahl wurde geteilt, in rechten Winkeln auf die Reise geschickt und schließlich rekombiniert. Wenn der Raum rings um den Krater um einen Faktor im Bereich von zehn hoch minus vierundzwanzig verzerrt wurde, kam es zu einer Phasenverschiebung der Wellenberge und -täler der beiden Lichtstrahlen, und diese Fluktuationen ihrer kombinierten Intensität markierten die subtilen Veränderungen der Geometrie. Ein Detektor allein konnte niemals einen Hinweis auf die Quelle dieser Verzerrungen geben – genausowenig wie ein Thermometer, das auf dem Regolith lag, die genaue Position der Sonne anzeigen konnte. Doch wenn die Zeitpunkte der in Bullialdus gemessenen Ereignisse mit den Daten der neunzehn weiteren TERAGO-Anlagen korreliert wurden, ließ sich der Verlauf jeder Wellenfront quer durch das Sonnensystem rekonstruieren. Dadurch konnte normalerweise die Richtung genau genug bestimmt werden, um das Ereignis einem bekannten Himmelsobjekt zuzuordnen – oder zumindest zu einer fundierten Vermutung zu gelangen.
    Karpal betrat die Baracke, die nun seit neun Jahren sein Zuhause war. Nichts hatte sich während seiner Abwesenheit verändert – es hatte sich kaum etwas seit seiner Ankunft verändert. Die Schränke mit den optischen Computern und Signalprozessoren an den Wänden sahen so glänzend neu wie immer aus, und die Kiste mit den Ersatzteilen und den Makroreparaturwerkzeugen für Notfälle befand sich noch an fast genau derselben Position, wo er sie erstmals abgestellt hatte. Er war hier auf dem Mond nicht völlig allein – es gab ein Dutzend Gleisner, die am Nordpol paläoselenologische Untersuchungen anstellten –, aber er hatte noch niemals einen Besucher empfangen.
    Fast alle anderen Gleisner befanden sich im Asteroidengürtel, wo sie entweder an der interstellaren Flotte arbeiteten, mit Versorgungsaufgaben betreut waren oder zum allgemeinen Tross gehörten. Er hätte ebenfalls dort arbeiten können, mitten im Getümmel, zumal die TERAGO-Daten an jedem beliebigen Ort zugänglich waren und die physische Anwesenheit bei einer Anlage nur wenige Vorteile bot, wenn er die Instandhaltung aller zwanzig überwachen mußte. Was ihn an diesen Ort gezogen hatte, waren die Einsamkeit und die Aussicht, ohne jede Ablenkung arbeiten zu können, sich eine ganze Woche, einen Monat oder auch ein Jahr einem einzigen Problem widmen zu können. Seine ursprünglichen Pläne hatten nicht vorgesehen, auf dem Regolith zu liegen und einen Monat lang in den Himmel zu starren, aber er hatte durchaus damit gerechnet, ein wenig verrückt zu werden, und dieses Verhalten erschien ihm als recht gemäßigte Exzentrizität. Zuerst hatte er sich gesorgt, möglicherweise ein wichtiges Ereignis zu verpassen: eine Supernova oder das Schwarze Loch im Zentrum einer fernen Galaxis, das ein paar Kugelsternhaufen verschluckte. Natürlich wurden selbst die unscheinbarsten Daten aufgezeichnet, doch auch wenn die Gravitationswellen Jahrtausende gebraucht hatten, um hier einzutreffen, hatte es für ihn den besonderen Reiz der Unmittelbarkeit, sie in Realzeit zu beobachten. Für Karpal war das Jetzt ein Ausschnitt der Raumzeit, der zehn Milliarden Jahre umfaßte und sich im Brennpunkt seiner Instrumente und Sinne sammelte.
    Später wurde das Risiko, sich von seinem Posten zu entfernen, zu einem Teil des Reizes. Zu einer Art Mutprobe.
    Karpal überprüfte den Hauptanzeigeschirm und lachte leise in pulscodiertem Infrarot. Die schwache Wärmestrahlung wurde von den Wänden der Baracke zu ihm zurückgeworfen. Ihm war nichts entgangen. In der Liste war Lac G-1 als Quelle einer Anomalie markiert, aber diese Quelle wies ständig Anomalien auf, also war dieses Faktum keine interessante Neuigkeit mehr.
    TERAGO verzeichnete nicht nur plötzliche Katastrophen, sondern überwachte konstant ein paar hundert periodische Quellen. Es war schon ein Ereignis von seltener Heftigkeit nötig, um einen Ausbruch von Gravitationsstrahlung zu erzeugen, der

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