Diaspora
und den Neutronensternen etwas gaben, das sie in energiefressende Materiestrahlung umwandeln konnten, hätten Lac G-1 zu einer strahlenden Röntgenquelle machen müssen. Seine Modelle waren immer verwegener und phantastischer geworden, doch alle waren letztlich daran gescheitert, daß sie sich nicht durch Beweise untermauern ließen oder schlicht unplausibel waren. Energie und Impuls konnten sich nicht einfach ins Vakuum verflüchtigen, doch inzwischen war er beinahe bereit, es aufzugeben, die Energiebilanz aus einer Entfernung von hundert Lichtjahren bereinigen zu wollen.
Beinahe. Mit dem Seufzer eines Märtyrers tippte Karpal auf den hervorgehobenen Namen, worauf ein Diagramm der Lacerta-Wellen für den vergangenen Monat erschien.
Auf den ersten Blick wurde klar, daß mit TERAGO etwas nicht stimmte. Die mehreren hundert Wellen auf dem Bildschirm hätten identisch sein müssen, die Spitzen hätten allesamt auf der gleichen Höhe liegen müssen, wenn das Signal zuverlässig wie ein Uhrwerk am gleichen Punkt des Orbits das gleiche Maximum erreichte. Statt dessen war ein leichter Anstieg der Spitzen während der zweiten Hälfte des Monats verzeichnet – was bedeutete, daß die Justierung von TERAGO allmählich vom Nennwert abgewichen war. Karpal seufzte und schaltete auf eine andere periodische Quelle um, einen binären Pulsar im Sternbild Aquila. Hier alternierten die Spitzen innerhalb eines bestimmten Rahmens, da der Orbit stark elliptisch war, doch insgesamt waren die Werte völlig gleichmäßig. Er überprüfte auch die Daten von fünf weiteren Quellen. Nirgendwo gab es ein Anzeichen, daß die Kalibrierung nicht mehr stimmte.
Verdutzt rief Karpal wieder die Daten von Lac G-1 auf. Er untersuchte die zusammenfassende Übersicht unter dem Diagramm und schnaufte fassungslos. Während seiner Abwesenheit, so hieß es in der Übersicht, hatte sich die Periode der Wellen um nahezu drei Minuten verringert. Das war absurd. Im Verlauf von achtundzwanzig Tagen hätte Lac G-1 die Umlaufzeit von einer Stunde um 14,498 Mikrosekunden verkürzen müssen, plus oder minus eine Handvoll unerklärbarer Nanosekunden. Es mußte sich um einen Fehler in der Analysesoftware handeln, sie war unzuverlässig geworden, nachdem die kosmische Strahlung ein paar zufällige Bits zerstört hatte, die irgendwie der automatischen Fehlersuche und Korrektur entgangen waren.
Er schaltete auf eine Darstellung, die die Periode der Wellen zeigte statt die Wellen selbst. Zu Anfang war alles genau so, wie es sein sollte, wenn sie konstant bei 3.627 Sekunden lag, doch nach etwa zwölf Tagen begann die Linie von der Horizontalen abzuweichen, zunächst langsam, aber mit stetig zunehmender Rate. Der letzte Punkt auf der Kurve lag bei 3.456 Sekunden. Die einzige Möglichkeit, wie die Neutronensterne auf eine kürzere und schnellere Bahn gelangen konnten, setzte voraus, daß sie einen Teil der Energie verloren, der sie auf Abstand hielt. Und für eine Beschleunigung des Orbits um drei Minuten statt vierzehn Mikrosekunden hätten sie innerhalb eines Monats etwa genausoviel Energie verlieren müssen, wie in den letzten paar Millionen Jahren abhanden gekommen war.
»Absoluter Schwachsinn!«
Karpal überprüfte die Daten anderer Observatorien, aber in Lacerta war kein Anzeichen irgendwelcher Aktivitäten entdeckt worden: keine Röntgenstrahlung, keine UV-Strahlung, keine Neutrinos, nichts. Lac G-1 hatte angeblich soeben das energetische Äquivalent einer Vernichtung des Mondes durch einen Antimaterie-Doppelgänger abgegeben, und selbst in hundert Lichtjahren Entfernung konnte ein solches Ereignis einfach nicht unbemerkt bleiben. Die fehlende Energie war auf keinen Fall in Gravitationsstrahlung verwandelt worden, denn die offensichtliche Zunahme lag bei nur siebzehn Prozent.
Und die Periode hatte sich um etwa fünf Prozent verringert. Karpal stellte einige Kopfrechnungen an und ließ sie sich anschließend von der Analysesoftware detailliert bestätigen. Die Energiezunahme der Gravitationswellen entsprach exakt dem Wert, den die verringerte Periode erforderte. Engere und schnellere Umlaufbahnen erzeugten stärkere Gravitationsstrahlung, und diese unmöglichen Daten stimmten in allen Punkten mit der Formel überein. Karpal konnte sich keinen Fehler in der Software oder der Kalibrierung vorstellen, der die Daten auf diese Weise durcheinander brachte – nämlich nur jene für eine bestimmte Quelle –, während die korrekte physikalische Relation zwischen Energie
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