Diaspora
Bedingungen großen Schaden anrichten konnten, obwohl entsprechende Effekte lokal begrenzt und im Vergleich zu den Problemen durch die UV-Strahlung und globale Abkühlung geringfügig wären.
Als das Polarleuchten hinter den Wolken verblaßte, zuckte ein blauweißer Blitz über den Himmel. Yatima hatte ihn kaum registriert, als es zu einer zweiten Entladung zwischen Erde und Wolken kam. Der Donner war viel zu laut, um ihn hören zu können. Die akustischen Sensoren des Gleisners hatten sich zum Selbstschutz abgeschaltet.
Plötzlich verdunkelte sich der Himmel, als wäre eine Sonnenfinsternis eingetreten. Das Plasma mußte sich weit genug abgekühlt haben, um Stickoxide zu bilden. Yatima konsultierte die Etiketten heiner Haut. Demnach war die Temperatur soeben von einundvierzig auf neununddreißig Grad gefallen – und sie sank weiter. Wieder blitzte es, diesmal ganz in der Nähe, und im plötzlichen Lichtschein sah hie eine Schicht aus dunklen, vom Wind zerrissenen Wolken, die vorbeizogen.
Wellenbewegungen liefen durch das Gras. Zuerst wurde es nur flach an den Boden gedrückt, doch dann sah Yatima, wie dazwischen Staub aufstieg. Es wehte in kräftigen Böen, und als sich der Luftdruck erhöhte, stieg gleichzeitig die Temperatur an. Yatima streckte heine Hand in den heißen Wind und versuchte zu fühlen, wie die Luft an heinen Fingern vorbeiströmte, versuchte zu verstehen, was es bedeutete, von diesem seltsamen Sturm berührt zu werden.
Ein Blitz schlug in ein Gebäude auf der anderen Seite des Spielplatzes ein. Es kam zu einer Explosion, die brennende Funken umherschleuderte. Yatima zögerte, dann bewegte hie sich schnell auf die zerstörte Unterkunft zu. An einigen Stellen brannte das Gras. Hie konnte niemanden erkennen, der sich drinnen bewegte, doch zwischen den Blitzen war es wie in einer sternenlosen Nacht, und als die Glut und die Grasfeuer erloschen, gab es einen Moment, in dem alles von einem dunklen Tuch aus Finsternis erstickt schien. Yatima erweiterte das Sehvermögen des Gleisners auf Infrarot. Zwischen den Trümmern befanden sich Flecken, deren Wärmestrahlung der Körpertemperatur entsprach, aber die Formen waren nicht eindeutig zu bestimmen.
Irgendwo riefen Menschen panisch durcheinander, aber die Laute schienen nicht aus diesem Gebäude zu kommen. Der Wind dämpfte und verzerrte die Geräusche und verwischte alle Hinweise auf Entfernung und Richtung. In den leeren Straßen war es wie in einer Landschaft mit einem Soundtrack körperloser Stimmen.
Als Yatima sich im zerrenden Wind dem Gebäude näherte, sah hie, daß es leer war. Die warmen Flecken waren nur verkohltes Holz. Dann setzte hein Gehör wieder aus, und das Interface verlor das Gleichgewicht. Hie stürzte mit dem Gesicht voran auf den Boden, während hie immer noch das Bild sah, das sich zuletzt in heine Netzhaut eingebrannt hatte: hein langer Schatten auf dem Gras, schwarz und in extremem Kontrast zum umgebenden Meer aus blauem Licht. Als hie wieder auf die Beine kam und sich umdrehte, stiegen von drei weiteren Gebäuden Flammen und Rauch auf. Wänden waren aufgerissen, Dächer eingestürzt. Hie lief über den Spielplatz zurück.
Menschen taumelten zerrissen und blutig aus den Ruinen. Andere durchsuchten hektisch die Trümmer. Yatima entdeckte einen halb verschütteten Mann mit offenen, aber ausdruckslosen Augen. Ein schwarzer gebrochener Holzbalken lag quer über seinem Körper, vom Schenkel bis zur Schulter. Hie packte ein Ende des Balkens und schaffte es, ihn anzuheben und beiseite zu werfen.
Als hie sich neben den Mann hockte, bemerkte hie, daß jemand hie auf Hinterkopf und Schultern schlug. Hie blickte sich um, worauf der Körperliche unzusammenhängend zu schreien begann und hie nun ins Gesicht schlug. Hie kroch unbeholfen vom Verletzten zurück, während jemand anderer versuchte, den Tobenden wegzuzerren. Yatima stand auf und zog sich zurück. Der Körperliche schrie hie nach: »Geier! Laß uns in Frieden.«
Verwirrt und entmutigt floh Yatima.
Als der Sturm stärker wurde, fielen die hastigen Vorkehrungen der Mittler in sich zusammen. Zerknitterte Planen wehten über die Straßen, und die Überdachung eines Gehwegs löste sich und stürzte krachend zu Boden. Yatima blickte in den dunklen Himmel und schaltete auf UV um. Hie konnte schwach die Sonnenscheibe erkennen, die die Stickoxide der Stratosphäre bei diesen Wellenlängen mühelos durchdrang, aber dennoch von den schweren Wolken verschleiert war.
Inoshiro hatte
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