Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diaspora

Diaspora

Titel: Diaspora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
Vom Netzwerk:
recht, es gab nichts, was hie tun konnte. Die Mittler würden ihre Toten begraben, die Verletzten pflegen und ihre zerstörte Stadt reparieren. Selbst in einer Welt, wo die mittägliche Dunkelheit sie erblinden lassen konnte, würden sie aus eigener Kraft Mittel und Wege zum Überleben finden. Hie konnte ihnen keine Hilfe anbieten.
    Die Verbindung zu Konishi war immer noch getrennt, aber hie war nicht bereit, länger zu warten. Yatima stand bewegungslos auf der Straße, lauschte den Schreien des Schmerzes und der Trauer und machte sich auf die Vernichtung gefaßt. All dies zu vergessen wäre eine Erleichterung. Sein Konishi-Ich könnte sich an die Mittler aus glücklicheren Zeiten zurückerinnern.
    Dann schrie der Himmel, und Blitze stürzten wie Regen herab.
    Die Straße wurde zu einer Sequenz greller Stroboskopbilder in Weiß und Blau. Bei jedem neuen gezackten Lichtbogen sprangen die Schatten wild umher. Die Gebäude explodierten eins nach dem anderen, eine gnadenlose Kaskade aus plötzlichen rötlichen Blitzen, die Funken und faustgroße Brocken brennenden Holzes hochwarfen. Menschen kamen geduckt und schreiend hervor, als sie aus ihren unzuverlässigen Behausungen flüchteten. Yatima sah hilflos, aber gebannt zu. Das sterbende Stratosphärenplasma hatte einen Weg gefunden, hinunter auf den Erdboden zu gelangen. Die pulsierenden Radiofrequenzen pumpten große Mengen von Ionen durch die unteren Atmosphärenschichten und bauten einen immensen Spannungsunterschied zwischen den Sturmwolken und der Erdoberfläche auf. Doch nun hatte die Spannung die Schwelle der staubgeschwängerten Luft am Boden durchbrochen, und das gesamte System entlud sich in einem heftigen Kurzschluß. Atlanta war nur zufällig im Weg. Lokale Schulden, im globalen Maßstab unbedeutend.
    Yatima bewegte sich langsam durch die aktinische Lohe und hoffte insgeheim, von einem Blitz getroffen zu werden, der hie die Gnade des Vergessens gewährte, obwohl hie jetzt nicht mehr in der Lage war, die Mittler aus eigenem Antrieb im Stich zu lassen. Die aus den Häusern vertriebenen Menschen duckten sich unter den atmosphärischen Attacken, viele von ihnen verbrannt, verletzt, blutüberströmt. Eine Frau lief vorbei, die Arme ausgebreitet und das Gesicht zum Himmel erhoben, während sie trotzig schrie: »Na und? Na und?«
    Ein Kind, ein halb erwachsenes Mädchen, saß mitten auf der Straße. Eine Seite des Gesichts und ein Arm waren eine rosafarbene Masse, die Tränen aus Lymphe vergoß. Yatima kam näher. Das Mädchen zitterte.
    »Du kannst all das verlassen. Wenn du in die Poleis kommst. Möchtest du das?« Es starrte hie verständnislos an. Eins seiner Ohren blutete; möglicherweise hatte der Donner es taub gemacht. Yatima griff auf die Wartungs-Nanoware des Gleisners zu und wies sie an, das verlorene Transfersystem in heinem linken Zeigefinger zu rekonstruieren. Dann befahl hie den überlebenden Introdus-Dosen, sich dorthin zu bewegen.
    Hie hob den Arm und zielte mit dem Transfersystem auf das Mädchen, während hie rief: »Introdus? Willst du das?« Es schrie auf und schlug die Hände vors Gesicht. Bedeutete das ein Nein, oder machte es sich nur auf den Schock gefaßt?
    Das Kind begann zu schluchzen. Yatima wich niedergeschlagen zurück. Hie konnte fünfzehn Leben retten, hie konnte fünfzehn Menschen vor diesem sinnlosen Inferno bewahren, aber wer würde überhaupt noch in der Lage sein zu verstehen, was hie anbieten konnte?
    Francesca. Orlando. Liana.
    Das Haus von Orlando und Liana war nicht weit entfernt. Yatima wappnete sich und bewegte sich durch das Chaos, an den zerstörten Gebäuden und panischen Körperlichen vorbei. Die Blitze ließen allmählich nach – und die ansonsten feuersicheren Gebäude waren nur in Brand geraten, wenn sie direkt getroffen worden waren –, aber die Stadt hatte sich in eine Szene aus dem Zeitalter der Barbarei verwandelt, als Bomben vom Himmel regneten.
    Das Haus stand zum Teil noch, war aber nicht wiederzuerkennen. Yatima wußte nur durch das Navigationssystem des Gleisners, daß hie den richtigen Ort erreicht hatte. Das Obergeschoß war ausgebrannt, und in der Decke und den Wänden des Erdgeschosses waren Löcher.
    Jemand kniete im Schatten und räumte Trümmer von einem gewaltigen Haufen, offensichtlich die Überreste des Obergeschosses. »Liana?« Yatima rannte los. Die Gestalt drehte sich zu hie um.
    Es war Inoshiro.
    Inoshiro hatte zur Hälfte eine Leiche freigelegt, die nur aus schwarzem verkohltem Fleisch und

Weitere Kostenlose Bücher