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Diaspora

Diaspora

Titel: Diaspora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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körperlicher Weltraumbewohner. Jegliche Ausschmückung würde sie nur von dieser Authentizität ablenken und sie der Gefahr aussetzen, dem Wahnsinn des Abstraktionismus zu verfallen.
    Hie wünschte ihnen alles Gute bis zum nächsten Mal. Sie tollten um hie herum, protestierten lautstark und bettelten hie an, noch zu bleiben, doch Blanca wußte, daß sie hie nicht lange vermissen würden.
     
    Nachdem Blanca in heine Privatlandschaft zurückgekehrt war, mußte hie sich eingestehen, daß hie der Besuch sogar Spaß gemacht hatte. Eine gewisse Dosis des unerschütterlichen Enthusiasmus der Sternenwelpen half hie immer wieder, die Perspektive auf heine Obsession zu lockern.
    Blancas gegenwärtige Landschaft war eine zerklüftete, gläserne Ebene unter einem intensiv orangefarbenen Himmel. Quecksilbrige Wolken nur wenige Delta über dem Boden stiegen in Aufwinden empor, verflüchtigten sich zu unsichtbarem Dampf, um abrupt wieder zu kondensieren und herabzusinken. Der Boden erzitterte unter Kräften, die von den Wolken ausgingen und keine Entsprechung in der Physik der realen Welt hatten. Blanca entwickelte allmählich ein Gefühl für die Vorgänge am Himmel, die den stärkeren Beben vorausgingen, doch die präzisen Regeln, die auf komplexen Sekundäreigenschaften der elementareren determinierenden Gesetze beruhten, blieben hie unverständlich.
    Diese Welt und ihre Seismologie waren jedoch nur eine kurzweilige Dekoration. Der Grund, warum hie sich überhaupt entschieden hatte, die Reise zeitlich zu erleben, raste im Zickzack über die Landschaft. Die Kette der verworfenen Kozuch-Diagramme, die fehlgeschlagenen Versuche, das Distanzproblem zu lösen, würden schon bald das bedeutendste Merkmal der Ebene bilden und sogar die Klüfte verdrängen, die von den stärksten Beben aufgerissen wurden.
    Blanca schwebte über dem neuen Ende der Kette und inspizierte die jüngsten heiner kläglichen Bemühungen. Hie hatte die letzten Megatau damit verbracht, ein häßliches System von ›Korrekturen höherer Ordnung‹ über Kozuchs ursprüngliches Modell zu stülpen, infinite Regresse von Wurmlöchern innerhalb von Wurmlöchern, die, wie hie hoffte, sich zu beliebig großen, aber endlichen Längen summierten – hundert Milliarden Kilometer große Fraktale, die auf einen Raum zusammengezwängt waren, der um zwanzig Größenordnungen kleiner als ein Proton war. Davor hatte hie sich mit dem Prozeß der Bildung und Auflösung im Vakuum beschäftigt, um die Raumzeit im Wurmloch zu veranlassen, sich auszudehnen und zu schrumpfen, wenn die Öffnungen neu positioniert wurden. Doch kein Ansatz hatte funktioniert, und im nachhinein war hie froh darüber, denn diese Ad-hoc-Modifikationen waren viel zu unbeholfen, als daß sie es verdient hatten, erfolgreich zu sein.
    Nachdem der Lift dazu benutzt worden war, den Antiwasserstoff als Treibstoff für die Diaspora zu erzeugen, war die Anlage wieder von der kleinen Gruppe aus C-Z-Teilchenphysikern, die auf der Erde geblieben und nicht endgültig durch das Mißlingen der ursprünglichen Planung desillusioniert waren, in Besitz genommen worden. In ihren Experimenten hatten sie bis jetzt jede bekannte Teilchen-Spezies bis hinunter zur Planck-Wheeler-Länge untersucht, und solange sie keine passierbaren Wurmlöcher produzierten, blieben ihre Resultate in vollkommenem Einklang mit der Kozuch-Theorie. Für Blanca deutete dieser Umstand darauf hin, daß Kozuchs ursprüngliche Gleichsetzung von Teilchensorten und Wurmloch-Öffnungen korrekt war. Auch wenn etwas anderes revidiert oder verworfen werden mußte, schien es, daß diese grundlegende Idee als Kern einer verbesserten Theorie intakt bleiben sollte.
    Auf der Erde hatte sich immer stärker die Überzeugung durchgesetzt, daß das gesamte Kozuch-Modell aufgegeben werden mußte. Die sechs zusätzlichen Dimensionen, die für die Vielfalt der Wurmlöcher verantwortlich waren, wurden bereits als ›die mathematische Fiktion, die Physiker zweitausend Jahre lang in die Irre führte‹ bezeichnet, und die Theoretiker drängten sich gegenseitig, einen ›realistischeren‹ Ansatz zu entwickeln, wobei sie in ihrer Selbstgeißelung den typischen puritanischen Übereifer reuiger Sünder an den Tag legten.
    Blanca konnte die Möglichkeit akzeptieren, daß die gesamten erfolgreichen Vorhersagen der Kozuch-Theorie lediglich auf eine ›Spiegelung‹ der logischen Struktur der Wurmloch-Topologie in einem ganz anderen System zurückzuführen waren. Die Bewegung eines

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