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Diaspora

Diaspora

Titel: Diaspora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Realzeit-Bildern beruhte und zum anderen Teil Extrapolation und Fälschung war. Paolo dachte: Wir hätten genauso eine reine Simulation laufen lassen können … die uns die Illusion verschafft, den Kapseln nach unten zu folgen. Elena warf ihm einen schuldbewußten/tadelnden Blick zu. Richtig! Und warum machen wir uns überhaupt die Mühe, sie wirklich zu starten? Warum simulieren wir nicht einfach einen plausiblen Orpheus-Ozean voller plausibler orphischer Lebensformen? Warum simulieren wir nicht gleich die ganze Diaspora? Häresie war in C-Z kein Verbrechen; die Polis-Charta war lediglich eine Darlegung der Wertvorstellungen der Gründer, keinesfalls eine Doktrin, die unter Androhung des Exils angenommen werden mußte. Manchmal war es trotzdem ein Drahtseilakt, wenn man versuchen wollte, jede Art von Simulation zu klassifizieren – in solche, die zum Verständnis des physikalischen Universums beitrugen (gut), die ausschließlich praktisch, angenehm oder ästhetisch waren (akzeptabel), und solche, die auf eine Leugnung des Primats realer Phänomene hinausliefen (Zeit, über eine Emigration nachzudenken).
    Die Abstimmung über die Mikrosonden war knapp gewesen: zweiundsiebzig Prozent dafür, etwas mehr als die erforderliche Zweidrittelmehrheit, bei fünf Prozent Enthaltungen. Bürger, die erst seit der Ankunft im Wega-System existierten, waren ausgeschlossen … nicht daß irgendwer in Carter-Zimmerman von Wahlbetrug geträumt hätte, auf keinen Fall! Paolo hatte die knappe Entscheidung überrascht, denn er hatte bislang noch von keinem plausiblen Szenario gehört, wie die Mikrosonden wirklich Schaden anrichten konnten. Er fragte sich, ob es einen anderen, unausgesprochenen Grund gab, der nichts mit der Sorge um Orpheus' Ökologie oder hypothetischer Kultur zu tun hatte. Vielleicht der Wunsch, das Vergnügen der Enthüllung der Mysterien des Planeten zu verlängern? Paolo konnte diesen Impuls gut nachvollziehen, doch der Start der Mikrosonden würde das langfristige Vergnügen nicht mindern, zu beobachten und zu verstehen, wie sich das Leben auf Orpheus weiterentwickelte.
    Liesl sagte niedergeschlagen: »Die Modelle der Küstenerosion zeigen, daß die Nordostküste von Lambda im Durchschnitt alle neunzig Orpheus-Jahre von Tsunamis überschwemmt wird.« Sie bot ihnen die Daten an; Paolo warf einen Blick darauf, und sie wirkten überzeugend, aber dieser Punkt war inzwischen akademisch. »Wir hätten warten können.«
    Hermann drehte seine Augenstiele in ihre Richtung. »Dann sind die Küsten bestimmt mit Fossilien übersät, oder?«
    »Nein, aber die Bedingungen sind kaum geeignet …«
    »Keine Ausreden!« Er schlang seinen Körper um eine Strebe und strampelte fröhlich mit den Beinen. Hermann war im einundzwanzigsten Jahrhundert gescannt worden, als Carter-Zimmerman noch gar nicht existierte, doch im Verlauf der Teratau hatte er die meisten seiner episodischen Erinnerungen ausgelöscht und seine Persönlichkeit ein dutzendmal umgeschrieben. Er hatte einmal zu Paolo gesagt: »Ich betrachte mich selbst als meinen eigenen Ururenkel. Der Tod ist gar nicht so schlimm, wenn man sich damit verbessert. Für die Unsterblichkeit gilt dasselbe.«
    »Ich versuche mir ständig vorzustellen«, sagte Elena, »wie es wohl wäre, wenn ein anderer C-Z-Klon auf etwas wesentlich Besseres stößt – zum Beispiel Aliens mit verkürzten Wurmlöchern –, während wir uns hier mit dem Studium von Algenflößen begnügen.« Ihr Icon war stärker stilisiert als gewöhnlich: geschlechtslos, haarlos und glatt, das Gesicht ausdruckslos und androgyn.
    Paolo hob die Schultern. »Wenn sie Wurmlöcher verkürzen können, besuchen sie uns vielleicht. Oder lassen uns an ihrer Technik teilhaben, damit wir die gesamte Diaspora verknüpfen können. Aber ich weiß, was du meinst: das erste außerirdische Leben, und es ist vermutlich nicht höher als Seetang entwickelt. Andererseits stehen die Chancen jetzt gar nicht mehr so schlecht. Seetang alle siebenundzwanzig Lichtjahre. Nervensysteme alle fünfzig? Intelligenz alle hundert?« Er verstummte, als ihm plötzlich bewußt wurde, wie sie sich fühlte – während sich ihr Entschluß, nach der Entdeckung des ersten Lebens nicht noch einmal aufzuwachen, allmählich als falsche Entscheidung erwies, als Verschwendung der Möglichkeiten, die durch die Diaspora geschaffen worden waren. Paolo bot ihr ein Emotiogramm an, das Mitleid und Verständnis ausdrückte, aber sie lehnte ab.
    »Ich will jetzt klare

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