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Dichterliebe: Roman (German Edition)

Dichterliebe: Roman (German Edition)

Titel: Dichterliebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Morsbach
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lange warten – säuseln: » Ich bin’s, dein … Quälgeist … Ich wollte mich erkundigen …«
    Dann brummte er Trostworte.
    » Ist sie hübsch?« fragte ich, als er zurückkam.
    » Hübscher … als ich.«
    » Und? Mag sie dich?«
    » Ich weiß es nicht.« Ein Schatten flog über sein Gesicht.
    » Kommst du zum Schuß?«
    Er antwortete nicht. Zwei Stunden später, wir hatten miteinander eine Flasche Wein geleert, sagte er gepreßt: » Ich will für jemanden sorgen …«
    Armes Schwein, dachte ich. Letztlich geht’s dir auch nicht besser. Ich hatte wenigstens ein lebhaftes, wüstes Leben, auch wenn ich es ruiniert habe. Du hast nichts.
    Das Telefon klingelte. Er flog ins Nebenzimmer, riß den Hörer von der Gabel und frohlockte: » Siehst du! Ich hab’s gewußt! Innige Gratulation!«
    Na, dachte ich, ein Patient macht noch keinen Sommer. Und schon gar keiner vom Prenzlauer Berg. Strucks rasante Gynäkologin hatte erklärt, daß man Privatpatienten brauche, um sich zu entwickeln; mit Kassenpatienten käme man auf keinen grünen Zweig. » Und?« fragte ich Jakob, als er zurückkehrte, » Was für ein Patient?«
    Er strahlte: » Ein Cockerspaniel!«
    *
    Was ist meine Bilanz? Heute träumte ich, man hätte mir gekündigt. Alle waren sauer auf mich und tuschelten, ich verstand nur: Ich hätte etwas Schlechtes über Biber gesagt. Ich bekam einen Tobsuchtsanfall, schmiß mein Laptop zu Boden und ging. Später auf der Landstraße hatte ich eine Panne, und während ich ratlos neben meinem Porsche stand, kam ein seltsames Fahrrad an mir vorbei, eine Art Tandem, das aber parallel fuhr, also zwei Radler neben-, nicht hintereinander. Links saß ein Mann, rechts ein Kind, und beide sangen rhythmisch: Heut bin ich arm von zehn bis vierzehn Uhr. Heut bin ich arm von fünfzehn bis siebzehn Uhr. Ich beugte mich wieder über den defekten Autoreifen, der gelblich gummiartig war und zu schmelzen begann wie Wachs.
    Dann wurde der Traum versöhnlich. Ich fuhr nachts mit zwei Frauen auf einem Boot, beide waren nett zu mir. Leuchtkäfer fielen vom Himmel, den Frauen in den Schoß.
    Zuletzt lag ich wie gefällt vor meiner Staverfehner Klause im Gras unter dem Sternenhimmel, sah hinauf in die flimmernde Pracht und dachte: Ja, unleidlich, warum? Ein kalter Wind strich über mich hinweg. Ich stand fröstelnd auf und ging ins Haus. Im oberen Stock brannte Licht, ich hatte wohl die Nachttischlampe angelassen. Schon von den oberen Stufen aus sah ich eine Frau in meinem Bett. Konnte das wirklich sein? Ein warmes, weiches, nacktes Weib! Wie herrlich! Wie köstlich! Ich kniete vor dem Bett. Ich griff nach der Decke. Ich weinte vor Dankbarkeit und erwachte weinend.

REGELN
    Erst dann hat ein Mann seine Arbeit getan
    Wenn Er für Sie erschossen werden kann.
    Karl Mickel
    Während ich wie ein alter Junggeselle Wäsche wasche und sie im Gemeinschaftswaschkeller zum Trocknen aufhänge, während ich den Müll zum Ascheimer bringe, leere Flaschen wegtrage, volle Flaschen kaufe, denke ich an die Frauen, die das jetzt nicht mehr für mich tun, und die vielen Freunde, die ich beleidigt habe. Ich beschließe: Wenn ich es schaffe, Jakob zu schonen, ist nicht alles verloren. Dann erträgt mich vielleicht auch wieder eine Frau.
    Jakob trifft am frühen Dienstagnachmittag ein und ruft: » Wo ist denn der Wind?«
    » Welcher Wind?«
    » Der von der Nordsee!«
    » Das sind noch fünfzig Kilometer.«
    Er ist kräftiger geworden, aber immer noch krumm. Die traurigen Strähnen quer über den Kopf sind inzwischen grau. Gekleidet ist er, wie früher, viel zu warm: karierte Wollhosen, Jackett, enger Pulli. Sogar die plumpe Brille trägt er noch. Aber als ich ihn auf meiner Rasenterrasse mit Kaffee bewirte, verflüssigen sich seine Bewegungen, er streckt sich, lacht und wirft übermütig die Jacke über die Stuhllehne. Er lächelt breit mit einem neuen Gebiß und ruft, ohne zu nuscheln: » Schön hast du’s hier!«
    Wir tauschen Erinnerungen aus. Er lobt meinen zu DDR -Zeiten angeblich bewiesenen zivilen Mut. Ich argwöhne Hintergedanken und wiegle ab.
    » Du warst früher so kämpferisch«, sagt er. » Ich habe dich bewundert.«
    » Nicht lange.«
    » Du hattest eine Schwächephase.«
    » Die dauert an.«
    Er beginnt, über Politik zu reden. Wo wäre da die Metamorphose, die ich beschreiben will? Er hadert mit dem Westen!, erfahre ich. Über die DDR sagt er: » Ein Machtmonopol ist immer verderblich. Zugrunde gerichtet hat uns der Mangel an Demokratie, nicht der

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