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Dichterliebe: Roman (German Edition)

Dichterliebe: Roman (German Edition)

Titel: Dichterliebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Morsbach
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so ein Gerät doch können!« schimpfe ich.
    Sidonie lacht mich aus. » Du weißt nicht, wie gut du’s hast!«
    O doch, das weiß ich. Aber ich weiß auch, wo’s hakt. » Die DDR war scheußlich«, sage ich, » aber sie gab wenigstens nicht vor, etwas anderes zu sein. Hier glänzt alles. Alles ist ganz äußerlich, dabei kein Verlaß …«
    » Weil du die Quittungen auf’s Glas legen mußt?« spottet Sidonie.
    » Nein, überhaupt! Warum zum Beispiel lädt uns der Staat großartig in dieses Künstlerhaus ein und verlangt dann monatlich siebenunddreißig Mark Telefongrundgebühr? Das ist mehr, als ich privat in Speyer zahle! Warum müssen wir Gäste die Telefonanlage abstottern? Und dann noch jede Einheit extra?«
    » Deine Sorgen möcht ich haben.«
    » Du darfst froh sein, daß du meine Sorgen nicht hast, meine Liebe«, höre ich mich scharf sagen. Um Himmels willen, Perspektive –
    » Die Ansprüche sind halt verschieden«, schlägt sie vor.
    » Du hast recht, Liebste!« Plötzlich dieses Wort wie Gold, hüpft von meinen Lippen und strahlt zurück in meine eigene Brust. Verschiedene Ansprüche … das freilich muß ich überhören, aber … Ansprüche … Denn man muß aussprechen dürfen, daß … » Ist dir aufgefallen, wie schlecht unsere Bibliothek ausgestattet ist?«
    » Unsere Bibliothek?« Das fragt sie gedehnt, wie um Zeit zu gewinnen.
    Tatsächlich habe ich sie in der Bibliothek erst einmal gesehen. Sie suchte Stefan Zweig. Ich fragte, warum. Den läse sie gern, antwortete sie ein bißchen errötend, wobei mir die Auskunft peinlicher war als ihr.
    » … ich finde die Bibliothek eigentlich ganz o.k.«
    Muß ich eine Frau lieben, die eigentlich ganz o.k. sagt? Ja, ich muß sie lieben. Ich muß lieben. Aber nicht hirnlos. Die Ansprüche sind halt verschieden – mit mir nicht. Wer anspruchslos ist, bleibt ein Dilettant. » Eigentlich ganz o.k.«, schnaube ich, » das heißt gar nichts. Diese Bibliothek ist eines Schriftstellerhauses unwürdig!«
    Wir gehen zusammen zum Künstlerhaus zurück, Sidonie sagt nichts mehr, sondern summt vor sich hin, ich muß damit rechnen, sie beleidigt zu haben. Als sie sich trollen will, halte ich sie auf. » Aber jetzt erlaube mir, dich zum Kuchen einzuladen!«
    Der Kuchen ist Industriestreusel in einer Aluminiumpfanne, in knisterndes Zellophan geschweißt. Ist das gut, ist das schlecht? Es ist billig. Sidonie reißt ihn aus der Packung – das erregt mich – und legt ihn auf einen angeschlagenen Künstlerhausteller. Sie deckt ziemlich hübsch draußen den Gartentisch, während ich Kaffee koche. Häuslichkeit … Zugehörigkeit … angenehm. So sollte es immer sein.
    » Ich will nicht drängeln, aber …«
    » Nein, drängle nicht!« bitte ich. » Das Vorspiel gehört manchmal zum Schönsten!«
    » … aber ich kriege ab ein Uhr Besuch.«
    Der Satz trifft mich wie eine Ohrfeige. » Was heißt ab eins …«
    » Na, ab eins muß ich in meiner Bude sein, damit ich aufmachen kann …«
    » Wem!«
    » Leopold! Der Komponist, mit dem ich das Musical mache!«
    » Und der kommt … hierher?«
    » Hab ich dir doch gesagt!«
    Ich hatte es vergessen. Oder gar nicht erst gehört. Schimpfen steht mir nicht zu, aber es ist … es ist doch …
    » Es ist nicht leicht zu verkraften.«
    » Henry!« lacht sie. » Du bist verrückt!«
    Immerhin wirkt sie geschmeichelt.
    *
    Jetzt fühle ich mich heimatlos. Keiner beschäftigt sich mit mir, keiner versteht meine Sorgen. Beim Tischabräumen scheint das Geschirr doppelt schwer.
    Müde bin ich; zwei Nächte schlecht geschlafen. Ich lege mich auf’s IKEA -Studentensofa, der grobe Cord drückt mir Muster in die Wange, bin zu müde, mich umzudrehen. Fünf Minuten Ruhe. Kühler Hauch auf meinen Lidern, eher Schatten als Schlaf. Eine Mücke kreist über meiner Schläfe. Was ist besser, Tag- oder Nacht-Alpträume? Nachts werde ich von Kampfhunden zerfleischt. Tags fürchte ich physischen Verfall. Ich habe ganz dünne Oberschenkel. Wenn ich mich im Spiegel erblicke, brauche ich einen Schnaps.
    Erwache in der Dämmerung – früh oder spät in der Nacht? Ich fröstele … Oha, fast acht – muß mehrere Stunden weg gewesen sein. Schlaftrunken ins Bad. Wasser ins Gesicht. Vor die Tür. Der Horizont weit und durchsichtig, kirschrot. Vom Haupthaus her Gesprächsfetzen … Ja, dort sitzen sie unterm Schirm vor der aufgeheizten Westwand, Teekerzen flackern, Gläser klirren … ich gehe hin. Es sieht gemütlich aus, aber nicht ausgelassen.
    » Da bist du

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