Dicke Hose (German Edition)
erreicht die Augen nicht mehr, und ihr turboerotischer Mund zuckt spöttisch.
«Tja, was haben wir für ein Glück, nicht wahr, Kai?», wendet sie sich mit unüberhörbarer Ironie an den Außerirdischen.
«Total», gibt dieser nicht minder ironisch zurück. Dabei fixiert er mich, als sei mir der Betrug auf die Stirn tätowiert. «Ein echter Glücksfall.»
Wichser.
«Warum hat Florian nicht gleich gesagt, dass er uns seinen Bruder schickt? Dann hätten wir uns die ganze Diskussion natürlich sparen können.» Victoria ringt sich ein Lächeln ab.
Was zum Geier geht hier vor sich?
«Trotzdem brauche ich natürlich deine Papiere. Du weißt schon, wegen der Versicherung und so weiter. Auch wenn es nur um zehn Tage geht.»
Ich nicke. «Klar.» Kurz mal nachdenken. «Bestimmt kann ich es organisieren, dass jemand in meiner Münchner Wohnung die Unterlagen zusammensucht und hierherschickt. Das dürfte eigentlich machbar sein.» … und garantiert zehn Tage dauern.
«Prima.» Victoria dreht sich energisch um. Ihr Zopf fliegt hinterher. «Dann machen wir trotz deiner immensen Vorkenntnisse zunächst einmal eine Geschäftsbegehung, also gleich nachdem du dich umgezogen hast.» Sie schenkt mir ein süffisantes Lächeln. «Sagte ich schon, dass wir momentan Versace-Woche haben?»
[zur Inhaltsübersicht]
6. Kapitel
Keine halbe Stunde später erwäge ich zum ersten Mal, Florian und seinen italienischen Clan einem frühen Herztod auszuliefern, indem ich den Deal mit ihm platzen lasse.
Voll böser Vorahnungen stehe ich mit Victoria, von der noch nicht abschließend geklärt ist, ob ich mit ihr essen gehen sollte oder nicht, im Keller von Miucci und beobachte misstrauisch, wie sie mir etwas zum Anziehen raussucht.
Das letzte Mal, als ich von einer Frau eingekleidet wurde, ging die Aktion gründlich daneben. Ich war zwölf und wurde anlässlich der Konfirmation meiner Cousine Bettina in einen Anzug gesteckt, der mich, dank eines psychedelischen schwarzweißen Karomusters und eines den Achtzigern geschuldeten XXL-Jackenformats, wie eine wandelnde Zielflagge beim Autorennen aussehen ließ. Die anwesende Tantenschar schrie vor Begeisterung. Und als wäre das allein für einen Teenager nicht Grund genug, sich das Leben zu nehmen, drückten sie mir außerdem unentwegt feuchte Küsse ins Gesicht.
Um mich abzulenken, lasse ich meinen Blick durch den Raum schweifen. Das Wort Keller scheint mir für dieses feudale Untergeschoss kaum die richtige Bezeichnung zu sein. Der Boden ist durchweg mit dunkel gebeizten und auf Hochglanz lackierten Holzdielen ausgelegt, in deren Mitte ein üppig verschnörkelter Teppich prangt. Zwei in sich verschlungene Buchstaben, E und M, bilden das Zentrum des Musters und wurden farblich hervorgehoben. Ich schätze, es handelt sich hierbei um die Initialen von Ernesto Micolucci, Florians Vater.
Obwohl wir uns im Kellergeschoss befinden, verfügt der Raum über bodentiefe Fenster. Keine zwei Meter unter dem Fenstersims blickt man auf einen Seitenarm der Alster, der dort still und vermutlich stinkend vor sich hin dümpelt. Typisch für Hamburg. Wer in dieser Stadt etwas auf sich hält, kann ohne Wasserblick nicht existieren. Und schon gar nicht repräsentieren. Dabei ist es vollkommen unerheblich, ob es sich bei dem Gewässer um einen mit bloßem Auge kaum noch wahrnehmbaren Teil der Elbe oder einen modrigen Alsterarm direkt vor dem Fenster handelt. Jeder Tropfen Wasser macht in Hamburg aus einer guten Wohnlage eine exklusive .
Dieser Raum dient eindeutig nicht als Verkaufsraum, trotzdem funkeln hier schwere Kronleuchter an der Decke. An den Wänden wurde weiße und beige Farbe zu einem ungleichmäßigen Sandton verwischt und anschließend mit Wachstechnik veredelt. Ein moderner Schreibtisch mit Blick zum Fenster steht an der kurzen Seite des Zimmers, und an den beiden Längsseiten prangen meterlange Kleiderstangen. Außer dem verschnörkelten Logo-Teppich entdecke ich noch einen weiteren Farbtupfer: zwei lilafarbene Samtvorhänge, die gegenüber dem Schreibtisch wandhoch von der Decke baumeln.
«Dieser Raum ist unser interner Showroom», erklärt Victoria, die meinem Blick gefolgt ist. «Wenn eine neue Kollektion eintrifft und es Sinn macht, sich die Schnitte und den Sitz am Model anzuschauen, geschieht dies meist hier unten. Dann öffnen wir die Zwischentür zum Nachbarraum und erhalten so genügend Platz, um einen kleinen Laufsteg zu simulieren.» In ihrer Stimme schwingt Stolz mit, was ich
Weitere Kostenlose Bücher