Dicke Hose (German Edition)
ihr Geld bleibt. Und den persönlichen Kontakt pflegen. Deshalb ist sie auch gleich auf dich zugesteuert. Neue Gesichter möchte sie natürlich sofort kennenlernen.»
Er öffnet den Kühlschrank und schiebt ein paar Flaschen hin und her. «Sie hält sich schätzungsweise die nächsten zwei Stunden hier auf und lässt sich bei ein paar Gläsern Sekt die neusten Trends vorführen. Vermutlich will sie einfach nur ein bisschen unterhalten werden. Ich glaube, Miucci ist eine Art Entspannungsoase für sie.»
Und da kommt sie ausgerechnet heute vorbei? Und bleibt dann gleich ZWEI STUNDEN? Klingt für mich keineswegs nach Entspannungsoase. Eher nach Folter.
Kai zieht eine Flasche Sekt aus dem Kühlschrank. «Und wenn ich vorführen sage, dann meine ich übrigens auch vorführen.» Mit einem Knall lässt er den Korken ploppen.
«Äh … und was genau bedeutet das für mich?» Mir schwant Übles.
«Na, was wohl?» Kai stellt vier Sektgläser zu der Flasche auf ein Tablett. «Du nimmst dir eine Tasche aus dem Regal, hängst sie dir über die Schulter, läufst ein paar Schritte und drehst dich ein bisschen. Auf diese Art bekommt die Kundin einen Eindruck, wie die Tasche an anderen Frauen wirkt.»
«Aber ich bin keine Frau!»
Er sieht mich genervt an. «Ich denke, das ist Frau Grünewald egal.»
Egal? Wie kann es jemandem egal sein, ob ich ein Mann oder eine Frau bin?
Mechanisch ergreife ich den Sektkühler, den Kai mit Eiswürfeln befüllt hat und mir vor den Bauch presst. Er selbst nimmt das Tablett, dann schiebt er mich vor sich her in Richtung Tür.
«Los jetzt, lass sie nicht so lange warten. Ich muss nämlich gleich weg.»
Meine Freude darüber, ihn loszuwerden, erstirbt bei dem Gedanken an das, was mir nun bevorsteht. Ich kann doch nicht allen Ernstes mit einer albernen Handtasche hier durch den Laden tippeln, nur damit Joan Grünewald-Collins ihren fetten Arsch nicht bewegen muss, sondern sich schön einen anschickern kann. Das ist doch lächerlich! Was, wenn mich dabei jemand durch das Fenster beobachtet? Ein vorbeilaufender Passant, beispielsweise. Oder die Polizei.
Meine einzige Erfahrung im Bezug auf das Halten von Handtaschen beschränkt sich außerdem auf wenige Male, die ich vor einer Kaufhaustoilette die Tasche einer Freundin halten sollte. Mordspeinlich. Seitdem weiß ich nicht nur, wie lange Frauen auf dem Klo brauchen, sondern auch, wie demütigend es ist, Schulter an Schulter mit anderen Kerlen auf Frauchens Rückkehr zu warten. Und bei den Gelegenheiten ging es nur ums Halten . Jetzt ist auf einmal von Präsentieren die Rede. Hat denn keiner Mitleid mit mir?
Frau Grünewald jedenfalls nicht. Ungeduldig grabscht sie sich ein Sektglas vom Tablett und lehnt sich entspannt im Sessel zurück. «Dann legen Sie mal los, junger Mann. Ich muss spätestens um halb vier bei Vidal Sassoon zum Haareschneiden sein.»
Hallo? Halb vier, das ist in zwei Stunden! Ich kann doch nicht zwei Stunden den Vorführfuzzi geben, wie stellt die sich das vor? Irritiert schaue ich zu Kai. Er grinst und freut sich wahrscheinlich, dass er mal wieder recht behalten hat. Mit einer Hand vollführt er außerdem eine Art Kurbelbewegung, was wohl als Zeichen zum Loslegen gedacht ist.
Ich werfe einen unentschlossenen Blick auf die Regale voller Taschen. Mit welcher soll ich bloß anfangen? Und wie hießen die noch mal? Nach kurzem Überlegen entscheide ich mich für ein Modell, dass meines Erachtens nach am besten zu Joan Collins passt: ein dicker Stoffsack in Dunkelblau mit einer furchteinflößenden Metallkette.
Im Stillen bete ich, dass ihr das Teil so gut gefällt, dass sie die anderen Modelle gar nicht mehr vorgeführt haben will.
Beherzt halte ich ihr das blaue Ungetüm unter die Nase. «Und?», frage ich. «Super, oder?»
Sie verzieht das Gesicht. «Ist das dunkelblau oder schwarz?»
«Dunkelblau.» Du blinde Eule.
«Hach. Aber Dunkelblau, ist das nicht last season ? Die entspricht IN KEINSTER WEISE meiner Vorstellung. Ich brauche etwas im Aktenformat. Abschließbar, mit mehreren Innenfächern und einem Handyfach.»
Ach, plötzlich weiß sie also doch, was sie will!
«Frau Grünewald …», trötet Kai plötzlich von gegenüber, und seine Stimme überschlägt sich dabei fast. «Dunkelblau ist das neue Schwarz! Stella McCartney hat für den Winter auf Dunkelblau gesetzt und ist damit so now ! Und die Falabella, die Alexander Ihnen gerade zeigt, ist unser best buy . Ein echtes must-have !» Während er mit
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