Dicke Hose (German Edition)
interessanten Gedankengang, allerdings wollte mir dessen Logik nicht so recht einleuchten. Doch das spielte keine Rolle. Mein Schicksal als Begleiter der Grünewald war besiegelt. Und wer trug die Schuld daran? Natürlich der Schwule. Denn Fakt war ja wohl: Hätte ich mich statt an Kais idiotische Verkaufsregeln lieber an Henning Baum gehalten und ein steinzeitmäßiges Badezimmerfeuer gelegt, anstatt das Kleid zu retten, wäre die Abendveranstaltung definitiv ausgefallen. Und zwar ohne dass ich oder der fehlende Cavalli die Schuld daran getragen hätten. Doch dank der blöden Tipps musste ich ja unbedingt vorpreschen und die Grünewald quasi noch dazu überreden, die Gala trotzdem zu besuchen. Lass ihren Weg zu deinem Ziel führen … Witzig. Ich würde mal sagen, der Schuss ist voll nach hinten losgegangen. Sie hat das Ziel vorgegeben, und ich Idiot führe sie nun über den roten Teppich.
«Also, im Grunde genommen kann ich wohl froh sein, dass es so gekommen ist, nicht?», sagt Carmen Grünewald, die PR für ihre Firma fest im Blick. «Das Schicksal hat mir den Miucci-Sohn als prominente Begleitung in die Hände gespielt, dazu trage ich ein Einzelstück aus Ihrem Haus –, wenn das kein Glück ist, dann weiß ich es auch nicht!»
Glück ist mein Stichwort, wenn auch in einem gänzlich anderen Zusammenhang. Mein Glück und auch mein Schicksal hängen von etwas ganz anderem ab: von der Wohnungsbesichtigung um 18 Uhr 30. Danach wird sich zeigen, ob das Jahr auch für mich noch eine glückliche Wendung nimmt. Ein Schaulaufen am Arm der Kristallkönigin würde meinen Job jedenfalls nicht retten.
«Also … ich kann heute Abend wirklich nicht», versuche ich noch einmal, mich aus der Affäre zu ziehen. «Ich habe einen wichtigen Termin. Jetzt gleich.»
«Dann verschieben Sie ihn.»
«Das geht nicht, ich habe die Telefonnummer meiner … Kunden nicht.»
«Was denn für ein Termin? Dauert der lange?»
«Ja.»
«Wie lange?»
«Lange.» Ein böser Blick lässt mich konkreter werden: «Äh … vermutlich eine Dreiviertelstunde. Es geht um eine Wohnungs… äh, also einen Verkauf. Den Verkauf … einer Wohnung … meiner Wohnung!»
«Sie verkaufen Ihre Wohnung?»
«Äh … ja!»
«Na, das ist ja nichts wirklich Wichtiges. Am besten fahren wir auf dem Weg zur Gala dort vorbei, dann erklären Sie dem Käufer das Nötigste und verschieben den Rest auf morgen – und allen ist geholfen.» Sie greift zum Telefon, um ein Taxi zu rufen.
Wie war das: Selbstmitleid ist was für Heteros ?
* * *
Eine halbe Stunde später hält der Wagen vor einem zwölfstöckigen Gebäude in der Hafencity. Die Adresse ist gediegen, das Haus ebenfalls. Ich hoffe, der Interessent hat Verständnis für den Plan meiner Begleiterin, heute nur das Nötigste zu besprechen.
«Sie haben genau 25 Minuten!», schränkt Carmen Grünewald das Zeitfenster deutlich ein. «Dann müssen wir weiter. Die Veranstaltung findet im Hotel Atlantik statt, bis dahin fahren wir von hier aus noch mal zehn Minuten.» Mit diesen Worten knallt sie die Tür zu, lehnt sich auf dem Rücksitz zurück und grabscht nach der Tageszeitung des Taxifahrers.
Als ich einen Moment verharre, um das Ganze doch noch abzusagen, macht sie eine Handbewegung, als würde sie ein lästiges Insekt verscheuchen. Dann vertieft sie sich in die Schlagzeilen.
So utopisch ihre Vorgabe auch ist, ich muss es wenigstens versuchen. Ich krame in meiner Tasche nach dem Tesafilm und bringe ein Zettelchen mit der Aufschrift «Wohnungsbesichtigung» auf dem Klingelknopf an. Allerdings hätte ich mir die Aktion sparen können. Als ich mich umdrehe, sehe ich das Interessentenpaar bereits fröstelnd im Hauseingang warten.
Einen Moment bin ich sprachlos, denn ich glaube, eine jüngere Version des ehemaligen französischen Präsidentenpaares vor mir zu haben. Der Nicolas-Sarkozy-Lookalike ist zwar jünger als das prominente Original. Ansonsten aber ähnlich klein, und wenn er lacht, wird sein Gesicht von derselben comichaften Faltenbildung durchfurcht. Bei seiner Carla, bei deren Original sich meine Erinnerung auf den Vornamen beschränkt, bin ich mir bezüglich des Alters unschlüssig. Mit ihrer künstlich geglätteten Gesichtshaut würde ich ihr von 20 bis 60 jede Altersangabe glauben.
Nach einem kurzen Händeschütteln steigen wir gemeinsam in den Lift und schweben in die elfte Etage. Stumm starre ich auf die langsam wechselnde Digitalanzeige, während ich im Geiste drei Kreuze mache, dass
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