Dicke Hose (German Edition)
und tackere sie zusammen. Das Preisschild über 1245 Euro mähe ich vorsichtshalber gleich mit ab. Dann wickele ich mir die blauen Streifen ebenfalls um den Rumpf. Als kurz darauf das gesuchte Bild auf meinem Handydisplay angezeigt wird, weiß ich, was noch nicht stimmt: Das Teil ist zu lang. Vorsichtig, um nicht meinen Lawrence-von-Sumatra-Anzug zu beschädigen, raspele ich den Häkellappen eine Handbreit kürzer. Jetzt noch ein bisschen von Kais Betonfixierer, um den fliehenden Faden zu fixieren und um eine Abschlusskante zu erzeugen, die dem ausgefransten Modell auf dem Foto entspricht – fertig!
Zufrieden vergleiche ich mein Spiegelbild mit dem Coverfoto der Vogue . Nicht exakt dasselbe, aber auch nicht vollkommen abwegig. Auf jeden Fall ein Hingucker. Außerdem passt es farblich sehr gut zu dem dunkelblauen Must-have -Täschchen, das die Grünewald bereits gekauft hat.
Ha! Sei nicht naiv, sei kreativ!
Schnell packe ich alle Utensilien zurück in die Tasche, klemme mir das Häkelunikat unter den Arm und öffne die Badezimmertür. Exakt im selben Moment, als Carmen Grünewald gerade wutschnaubend ihr Mobiltelefon zusammenklappt, trete ich ins Wohnzimmer. Mein strahlendes Lächeln soll sie entwaffnen.
«Sie können aufatmen, Frau Grünewald, es hat sich alles geklärt. Hier!» Ich halte ihr mein Handy mit dem neusten Vogue -Cover ins Gesicht. «Sehen Sie nur. Victoria … äh, Frau Wendt hat keinen Fehler gemacht! Im Gegenteil!» Ich gebe meinem Lächeln eine überhebliche Note. «Sie wollte Ihnen an diesem wichtigen Abend nicht den neuesten, sondern den allerneuesten Trend mit auf den Weg geben. Et voilà – eine Miucci-Missoni-Kooperation! Bislang ein Einzelstück. Die Kollektion dazu erscheint erst … äh … nach Weihnachten!»
Carmen Grünewald kneift die Augen zusammen. Doch statt in exzessiven Jubel auszubrechen, schüttelt sie resigniert den Kopf.
«Es ist zu spät», sagt sie mit Grabesstimme.
Mir rutscht das Herz in die Hose. «Haben Sie … etwa … bei Miucci angerufen?», stottere ich.
«Nein.»
«Nicht? Aber dann … ist doch alles super! Ich sage Ihnen, das Kleid ist der Hammer. Man muss es einfach richtig wickeln, dann sitzt es phänomenal. Das kann man sich nur so», ich deute auf den schlappen Wolllappen in meinem Arm, «nicht richtig vorstellen. Aber …» Ich mache eine kurze Pause und rufe mir Kais Liste ins Gedächtnis. « Eine Anprobe sagt mehr als 1000 Worte! Los, versuchen Sie es.»
Einen Moment herrscht Schweigen. Die Kristallpäpstin scheint noch nicht restlos überzeugt zu sein. Daher entschließe ich mich, zum Äußersten zu gehen. Ich atme einmal tief ein und aus, schließe meine Augenlider zu einem betörenden Schlafzimmerblick und trällere mit im Geiste zusammengebissenen Zähnen: «I love love love it!»
Carmen Grünewald sieht mich an, als überlege sie, mir doch noch eine Glaskaraffe über den Kopf zu ziehen. Dann sagt sie nur: «Wenigstens sind wir farblich gut aufeinander abgestimmt. Sie haben ja hoffentlich noch nichts vor heute Abend, oder?»
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13. Kapitel
«Vor mir müssen Sie keine Angst haben, ich bin schwul.»
Es ist zwar inzwischen eine Stunde her, dass dieser unfassbar dämliche Satz über meine Lippen gekommen ist, aber ich fühle mich immer noch, als hätte ich meine baumelnden Teile freiwillig an die Organmafia abgetreten. Leider war es die einzige Möglichkeit, Carmen Grünewald dazu zu bewegen, sich im Badeanzug vor mir zu präsentieren, damit ich ihr meine Kreation auf den Leib schnüren konnte.
Zu dem Zeitpunkt dachte ich allerdings auch noch, ihre Aufforderung, ich solle sie auf die Galaveranstaltung begleiten, sei ein Witz. Aber natürlich hätte ich es besser wissen müssen. Denn bei dem Anrufer, über den sie sich am Nachmittag so aufgeregt hatte, handelte es sich um ihren aktuellen Lover. Einen jener Kerle, denen sie unterstellt, sie würden sich nur in ihrem Erfolg sonnen. Offenbar hat der Typ mittlerweile genügend Sonne abbekommen, weswegen er ihr für den Abend abgesagt hat.
Mein Auftritt an ihrer Seite, sozusagen als Wiedergutmachung für den vorausgegangenen Stress, schien Frau Grünewald somit nur allzu logisch. Und irgendwie auch selbstverständlich.
«Ich kann unmöglich ohne männliche Begleitung über den roten Teppich gehen», echauffierte sie sich, «noch dazu in einem Missoni-Miucci-Kleid aus Ihrem Haus. Das wäre letztlich ja auch für Sie schlechte Publicity.»
Ich fand das zwar einen
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