Dicke Hose (German Edition)
schnell eine Antwort:
Musste auf der Gala als Begleitung einspringen. Komme hinterher vorbei und berichte! Gruß Alexander.
Gruß Alexander ? Wenn sie sich plötzlich ganz privat Vic nennt? Sollte ich dann nicht besser Alex schreiben? Bedeutet Alexander nicht sonst so viel wie: Ich habe dein Vic zur Kenntnis genommen, möchte aber die Distanz zwischen uns wahren, zumal ich der Sohn deines Chefs bin, der ab morgen extrem berühmt ist? Andererseits war es ein grußloses Vic . Vielleicht sogar ein Diven- Vic . Schlimmstenfalls ein Du-kannst-mich-mal-Vic . Oder noch schlimmer: ein Glaub-nicht-dass-ich-dich-jemals-wieder-meine-Unterlippe-berühren-lasse-Vic . In dem Fall würde ich mit einem intimen Alex viel zu weit vorpreschen.
«Können wir jetzt?», fragt Carmen Grünewald ungeduldig und will sich schon wieder bei mir unterhaken.
Es ist doch immer wieder dasselbe: Kaum wird man für schwul gehalten, grabschen Frauen hemmungslos an dir herum. Als Hetero ist mir das jedenfalls nie passiert.
«Moment noch!» Ich entziehe mich ihrem Griff und drücke auf Senden . Dann eile ich voran in Richtung Festsaal.
* * *
Die Gala wird eine entsetzlich zähe Angelegenheit. Menschen, die ich entweder nicht kenne oder nicht mag, bekommen von unermüdlichen Rednern unwichtige Preise überreicht. Als endlich der letzte Langweiler seinen goldfarbenen Staubfänger entgegennimmt, fange ich vor Freude fast an zu weinen. Endlich: Alkohol. Und danach: schnell zu Victoria.
Doch so schnell soll ich den Fängen der Kristallkönigin nicht entkommen. Als wir den Festsaal Richtung Bar verlassen, versammelt sich eine Traube Frauen um uns. Tatsächlich sind es nur drei, aber sie gebärden sich wie ein Dutzend. Aufgeregt schnatternd begutachten sie das Kleid von der Grünewald.
«Raffiniert! Ein Wickelkleid mit so aufwendiger Schnürung, das habe ich ja noch nie gesehen!»
«Und die ausgefranste Kante – so Chanel! »
«Wirklich, très chic . Sie sehen darin einfach yummie aus!»
«Cosy and nice!»
«Und erst diese Metalldetails – ganz schön Avantgarde!»
«Ein absolutes key-piece , dazu noch die Bijou-Bag – lovely !»
«Ja, auch von der Attitüde her. Und erst die Coulööör – ist das oceanic-mint ?»
Staunend beobachte ich, wie Carmen Grünewald mit jeder Bemerkung einen Schritt höher klettert auf ihrem Weg zum Fashion-Olymp. Und wem hat sie das zu verdanken? Mir! Offenbar bin ich ein Naturtalent. Vielleicht sollte ich meinen Job an den Nagel hängen, und Designer werden? Einfacher kann man sein Geld ja kaum verdienen.
«Wenn ich die Damen kurz stören dürfte», unterbreche ich das Geschnatter, «ich muss mich leider verabschieden. Im Laden gibt es noch einiges zu tun, wir haben am Samstag ein Event, das …»
«Oh, ein Event?» Die Köpfe der Modemiezen drehen sich zu mir.
Bei allem richtigen Gespür für den Moment treffe ich leider nicht immer die richtigen Worte. Musste ich das Event erwähnen?
«Bei Miucci?»
«Wunderbar!»
«Samstag, sagten Sie?»
«WIR KOMMEN!!!»
Nicht besonders erfreut über diese Ankündigung wende ich mich an die Grünewald. «Entschuldigung, aber ich muss jetzt wirklich los. Frau Wendt erwartet mich, es gibt noch viel zu tun.»
«Verstehe.» Carmen Grünewald ist noch immer derart benommen von dem Interesse an ihrer Person, dass es ihr gerade vermutlich sogar egal wäre, wenn ein Meteorit in ihre Glasvitrine donnern würde. «Nun, dann bleibt mir nur noch, Ihnen für Ihre nette Begleitung zu danken.»
Ich nicke. Schön, dass sie trotz ihrer Verrücktheit noch weiß, was sich gehört.
Doch dann senkt sie die Stimme und flüstert mir vertraulich zu: «Herr Micolucci, bitte verstehen Sie das, was ich jetzt sage, nicht falsch, aber …»
Ich überlege blitzschnell, was nun wohl kommen könnte:
… aber ich muss Ihnen sagen, dass ich eigentlich ein Mann bin und mit Ihnen eine Schwulenehe eingehen möchte.
… aber ich habe gar kein Cavalli-Kleid bestellt, sondern wollte nur sehen, wie viel MacGyver in Ihnen steckt.
… aber ich bin die Ehefrau von Ernesto Micolucci, mein Mann ist impotent und Florian adoptiert. Hätten wir einen weiteren Sohn, wüsste ich das.
Doch sie sagt etwas weit Schlimmeres.
«Ich muss Ihnen leider raten, von einem Verkauf Ihrer Wohnung an dieses Paar heute Abstand zu nehmen.» Sie sagt dieses Paar wie andere diese stinkenden Ratten sagen würden. «Der Kerl ist ein Exmann von mir und hat mich belogen und betrogen. Man darf ihm nicht trauen.»
Dann
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