Dicke Hose (German Edition)
Verhältnisse … schon irgendwie. Sie wurde jedenfalls auf der Gala bewundert.»
«Ach, toll!» Victoria ist sichtlich erleichtert. Auf meiner Stirn hingegen bilden sich Schweißperlen. Erst recht, als sie hinzufügt: «Hast du ihr gesagt, dass der Kurier morgen um elf kommt, um die Kleider wieder abzuholen?»
«Ich … also …» Davon hat mir nun wirklich niemand etwas gesagt.
«Du hast es vergessen!»
«Nein. Ja. Also, es ist …»
«Egal. Sollte sie nicht zu Hause sein, rufe ich morgen im Laufe des Tages bei ihr an, um mich mit ihr abzustimmen. Wir brauchen die Kleider, so schnell es geht, zurück. Am Samstag beginnt die Cavalli-Woche, dann ist das Kleid als Fensterdekoration gedacht.»
Die Schweißperlen auf meiner Stirn verdichten sich zu einem klebrigen Film. Jetzt wäre es vielleicht doch schlauer, ich würde mal kurz erklären, dass sich das Kleid, von dem sie redet, auf dem Weg nach Bella Italia befindet.
Nur wie?
Ach, einfach heraus damit. Warum auch nicht? Mit ein bisschen Souveränität vorgetragen klappt das schon.
«Also … das Kavallerie-Ding habe ich … versehentlich nach Italien geschickt», falle ich dann doch etwas plump mit der Tür ins Haus.
«Was?» Ruckartig richtet Victoria sich auf.
«Ja, die Grünewald trug deshalb …» Mist, wie hieß denn die Schwuppe noch mal? Maserati? Rigatoni? Ah, ich hab’s: «Mussolini oder so. War aber auch okay. Sie war jedenfalls total happy.»
Victoria sieht mich an, als wäre ich nicht ganz dicht. «Missoni?»
«Ja, genau, ich glaube, der war’s!»
«Soll das ein Witz sein?»
«Äh … was jetzt genau?»
«Alles. Die ganze Geschichte.» Ihre Augen sprühen Funken.
«Keineswegs.»
«Du willst mir also sagen, du hast das Galakleid von Roberto Cavalli nach Italien geschickt und Frau Grünewald stattdessen in ein defektes Strandensemble von Missoni gesteckt?»
Mein Reden. Okay, Missoni, das sollte ich mir jetzt vielleicht wirklich mal merken.
Victoria schlägt die Hände vors Gesicht. Ihr Hautton wird noch einen Tick blasser. «Und … darin ist sie … über den roten Teppich gelaufen? Nur in einer kaputten Stricktunika?»
«Natürlich nicht. Sie hatte ja noch den Badeanzug drunter.»
Victoria weicht jetzt komplett das Blut aus dem Gesicht. «Das … das … Ich kann das nicht glauben.»
Ich schätze, ich muss der Geschichte jetzt mal einen etwas glamouröseren Dreh geben. Sonst kollabiert Victoria mir gleich. «Möglicherweise reden wir aneinander vorbei. Wenn ich noch einmal genau darüber nachdenke, war das kein Strandensemble. Ich muss etwas anderes erwischt haben. Das Teil war schon eher so etwas wie ein … äh … Kleid. Ich musste es nur ein kleines bisschen enger schnüren, schon sah es aus wie das Teil auf dem letzten Vogue -Cover.»
Victoria wirkt nicht überzeugt. Vielmehr scheint sie plötzlich unter Schnappatmung zu leiden. «Und du sagst, Frau Grünewald gefiel das?»
«Nicht nur ihr. Eine ganze Horde modebegeisterter Tussen hat sich bewundernd um sie versammelt. Sicher gehen hier ab morgen haufenweise Nachbestellungen ein. Freu dich drauf!»
An dieser Stelle wäre ein bisschen Dank ja wohl mehr als angebracht.
Doch mehr als ein gehauchtes «Aha» schafft Victoria nicht zwischen ihren zusammengebissenen Zähnen hervorzupressen.
Angesichts dieser eher reservierten Reaktion beschließe ich, die Schnippel- und Tacker-Arie vorerst noch für mich zu behalten.
Möglicherweise wird die Grünewald ja auch auf dem Heimweg von einem Taxi überfahren, was ich ihr und mir beinahe wünschen würde. Denn damit wären alle meine Probleme auf einen Schlag gelöst.
Victoria grübelt noch immer schweigend. Ihre Lippen leuchten in sattem Dunkelrot, was vermutlich daran liegt, dass sie pausenlos darauf herumkaut. In Verbindung mit ihrem bleichen Gesicht wirkt sie jetzt fast wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Ein sehr hübsches Wesen. Wäre diese Frau nicht Opfer ihrer oberflächlichen Chichi-Glitzerwelt, würde ich vielleicht doch noch einmal über ein Date nachdenken.
«Ehrlich jetzt, Vic, du kannst dich entspannen», versuche ich das Thema zu einem Abschluss zu bringen. «Es ist alles gut gelaufen, alle sind zufrieden und glücklich.»
Wenn man von mir einmal absieht.
Da ich inzwischen aus Erfahrung weiß, dass Bizzelwasser in der Modeszene als Allheilmittel gilt, fülle ich ungefragt Victorias Glas auf. Selbst hole ich mir ein Wasser aus der Küche und setze mich anschließend wieder aufs Sofa. Nach Whisky und
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