Dicke Hose (German Edition)
Augenwinkel sehe ich, dass Victoria neugierig zu mir herübersieht. Typisch Frau. Erst nicht rangehen, aber dann wissen wollen, wer anruft. Aber sie kann von Glück sagen, dass ich am Telefon bin. Schließlich ist ihr Italienisch ja, eigenen Angaben zufolge, etwas eingerostet. Wenn ich nicht diese Reise durch die Toskana gemacht hätte, wären wir jetzt ganz schön am Arsch.
«Ah!», sage ich, als wäre Esmeralda Karamella eine alte Bekannte von mir. Gleichzeitig rufe ich mir die Nescafé-Werbung mit Angelo ins Gedächtnis. «Ah! Mamma mia, vengo! Come … come …»
Herrje – wie ging das nur weiter? Auf keinen Fall darf ich sagen: «Isch abe gar keine Auto.» Das checken meine Kollegen sofort.
Am anderen Ende scheint Esmeralda langsam ungeduldig zu werden. Frechheit! Nur weil ich vor zwanzig Jahren mal durch die Toskana gecruist bin, heißt das ja noch lange nicht, dass ich mit Pressluftgeschwindigkeit Antworten raushauen kann.
«Pronto? Urgente conversazione … che lo così non funziona … Disastro … Berlusconi! Signorina Victoria?»
Oh, na das klingt doch verdammt nach einem Gesprächswunsch.
«Null problemo!», sage ich und überlege, ob das wirklich Angelo gesagt hat oder vielleicht doch eher Alf, der Nasenbär aus der Spießerfamilie. «Momento, Signora. Victoria, sì sì sì, pronto … capito. Saluti a tutti. Arrabbiata!»
In bester Eros-Ramazzotti-Manier überreiche ich der sichtlich beeindruckten Victoria den Hörer. Ja, da siehst du mal, Baby, mit wem du letzte Nacht Sex hattest. Mit einem waschechten Italiener!
«Sì?», sagt Victoria und verstummt augenblicklich. Vermutlich versteht sie kein Wort, mag es aber vor uns nicht zugeben. Wie süß!
In Italien hat jemand offenbar viel zu erzählen. Ich nutze den Moment, um über Kais Schulter noch ein paar Internetfotos zu betrachten. Er ist jetzt auf einer anderen Seite, wo die Grünewald und ich noch mal aus unterschiedlichen Perspektiven zu sehen sind. Kann man solche Aufnahmen nicht irgendwie verbieten lassen?
«Scusi! … che casino, Mama Mia … abbiamo accidentalmente … Mi spiace se a volte sono così stupida!», glaube ich Victoria jetzt sagen hören, dann schickt sie noch ein «Grazie, tutto … va bene. Sì, arrivederci!» hinterher.
Komisch. Irgendwie klingt ihr Italienisch gar nicht eingerostet. Eher, als könne sie Eros Ramazzotti ein paar neue Schnulzen dichten. Oder ihn auffordern, seine nervige Exfrau aus der deutschen Fernsehlandschaft wegzulocken. Falls der Kerl überhaupt ein echter Italiener ist.
Victoria sieht jetzt irgendwie etwas blass aus. Genau genommen sieht sie sogar extrem blass aus. Ihr würde ein Urlaub unter italienischer Sonne auch mal ganz guttun.
«Sag mal, Alexander …»
Mist. Wir sind wieder beim Alexander .
«… die italienische Zentrale war höchst verwundert über die Bildunterschrift.»
Ach, die auch? Na toll. Dann ist mein Ruf bereits in ganz Europa ruiniert!
Ich will mich gerade aufregen, da fällt mir Ben ein und wie gelassen er gestern auf das Thema Homosexualität reagiert hat. Möglicherweise sollte mich das alles auch nicht so sehr aufregen. Da steh ich doch drüber. Außerdem hätte Victoria die Sache ja auch gerne selbst mal geraderücken können.
«Du weißt doch ganz genau, dass die Presse bei der Bildunterschrift gelogen hat», sage ich zu meiner Verteidigung, «du hättest es Esmeralda Karamella irgendwie sagen müssen.»
«Woher sollte ich das denn bitte schön wissen?», fragt sie gereizt.
Also, jetzt rege ich mich aber doch langsam ein bisschen auf! Eineinhalb Stunden haben wir gestern auf dem Sofa herumgeturnt, ich hatte die Erektion meines Lebens, und Victoria zweifelt an meiner Männlichkeit? Ich kralle mich am Tresen fest. Kann eine Frau so gemein sein?
Ich hole zum Gegenschlag aus: «Also, mir ist zwar nicht klar, wie dir gestern Nacht entgehen konnte, dass ich auf Frauen stehe, aber warum dieses Thema nun sogar in Italien solche Wellen schlägt, ist mir vollkommen schleierhaft. Was kümmert es die, ob ich schwul bin oder nicht?»
Der Glimmer in Victorias Augen hat sich in eine Feuersbrunst verwandelt. Ihr Blick flattert nervös zu Kai, der mit gespitzten Spock-Ohren so tut, als gäbe es bei bunte.de tatsächlich einen Artikel zu lesen, der seine ganze Aufmerksamkeit erfordert.
«Du wirst es vielleicht nicht für möglich halten», zischt sie mir zu, nachdem sie sich vergewissert hat, das keiner der anwesenden Kunden in Hörweite steht. «Aber in Italien
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