Dicke Hose (German Edition)
hat man andere Probleme als deine … Potenz. Unter einem der Fotos steht offenbar, dass es sich bei dem Kleid von Carmen Grünewald um eine Kooperation von Miucci und Missoni handelt, die demnächst in den Handel kommt. Darüber bin ich nicht informiert. Die Zentrale auch nicht. Aber vielleicht weißt du Näheres darüber?»
Es ist ein Elend. Während Kai sich nach Kräften bemüht, einen Lachanfall als Keuchhusten zu tarnen, steigt mir langsam die Schamesröte ins Gesicht. Wie konnte ich nur so weit vorpreschen? Mal abgesehen davon, dass ich mit meinem freizügigen Spruch über gestern Nacht in Victorias Augen vermutlich Hochverrat begangen habe, steht nun auch noch die Aussage der blöden Grünewald im Raum. Eine Kooperation zwischen Miucci und Mussolini – wie ist sie nur auf den Trichter gekommen?
Kurz überschlage ich die mir verbleibenden Möglichkeiten. Soll ich wirklich behaupten, ich, der verlorene Sohn des Hauses, sei als Einziger über diese Kooperation informiert worden? Mit der These würde ich vermutlich schneller auffliegen, als Kai sich eine zweite Locke kleben kann. Oder alles gestehen? Natürlich nicht, ohne Kai und seine Änderungstipps mit in den Abgrund zu reißen. Die Schuld abwälzen?
«Das … war … die Grünewald!», entscheide ich mich für die gute alte Variante des Petzens. Ehrlich währt nun mal am längsten. «Ich habe der Presse jedenfalls nichts davon gesagt.» Unter anderem deshalb, weil mir der blöde Name gar nicht eingefallen wäre. Missolucci? Margarini? Da haben wir es: Ich bin unschuldig. Bereits jetzt habe ich den Namen wieder vergessen.
«Hier.» Kai deutet mit abgespreiztem Finger auf den Monitor. «Dort steht es: Carmen Grünewald trägt ein Kleid aus der ersten gemeinschaftlichen Kollektion von Missoni und Miucci. Es ist eine Sonderanfertigung. Die komplette Kollektion erscheint im Januar 2013.»
«Scheiße», sagen Kai und Victoria synchron und blicken mich so erwartungsvoll an, als solle ich einen Reaktorstörfall beheben, nachdem man mir gerade mal die Grundlagen der Kernspaltung erklärt hat.
Langsam wird mir das hier zu viel. Wofür soll ich denn noch alles den Kopf hinhalten?
«Also gut», setze ich schweren Herzens zu der alles erschütternden Beichte an, «es ist vielleicht an der Zeit, dass …» Weiter komme ich nicht, denn in diesem Moment geschehen zwei Dinge gleichzeitig: Ein Kurier betritt den Laden, und mein Handy klingelt.
Überglücklich, der brenzligen Situation auf diese Art entgehen zu können, nehme ich das Gespräch entgegen. «Held», melde ich mich und entferne mich langsam ein bisschen von meinen Kollegen. Gleichzeitig beobachte ich, wie Victoria den Kurierempfang eines Pakets quittiert. Was kann das sein? Doch nicht etwa …?
«Gratuliere!», brüllt Friedrich von Klatt in mein rechtes Ohr. «Sie haben es geschafft!»
Ich kann ihm nicht folgen. «Äh … ich habe was geschafft?»
«Na, die Wohnung von gestern, Sie wissen schon – die ohne Küche. Sie ist verkauft!»
Mist!
Die Grünewald wird ausrasten, und dann heißt es: Bye-bye, Miucci! Sie wird dem Laden den Rücken kehren und Victoria niemals wieder ein Wort mit mir wechseln. Geschweige denn mich je wieder küssen.
«So schnell?», erkundige ich mich vorsichtig. Immerhin besteht ja die Möglichkeit, dass ein anderer Interessent die Wohnung haben möchte.
«Na ja», rudert mein Chef ein paar Meter zurück, «Ihr Interessentenpaar von gestern möchte natürlich noch einen zweiten Besichtigungstermin wahrnehmen, aber wenn Sie mich fragen – der Drops ist gelutscht! Die haben schon nach einem Notartermin gefragt.»
«Nicht doch!», rufe ich entsetzt und meine damit gleichermaßen meinen Chef und Victoria, die in dieser Sekunde das Paket öffnet. Gleich ist alles vorbei. Die zarte Pflanze unserer jungen Liebe – gekappt wie ein dunkelblauer Rocksaum.
Einen Moment herrscht Stille. Sogar Friedrich von Klatt scheint die Spannung, die in der Luft liegt, zu spüren. Sekunden später bricht mein Kartenhaus über mir zusammen.
Die gute Nachricht ist: Carmen Grünewald wurde nicht vom Taxi überfahren.
Die schlechte Nachricht ist leider ebenfalls, dass Carmen Grünewald nicht vom Taxi überfahren wurde. Brav und ordentlich gefaltet hat sie das improvisierte Galakleid in einen alten Karton gestopft, in dem laut Aufdruck mal eine Kristallschale verpackt war.
Mit gerunzelter Stirn zieht Victoria das zerstückelte Outfit heraus und breitet es in Zeitlupentempo vor sich auf dem
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