Dicke Moepse
unterhaltsam wie das Spiel selbst. Ich freu mich immer auf die finale Spielanalyse. Und dann dieses konsequente ›Sie‹ der beiden, einfach entzückend!«, schwärme ich. »Gerhard Delling hat auch immer so schicke Anzüge an … fast wie James Bond.«
»Na, na, na … das klingt ja fast so, als seiest du verknallt in ihn!«
»Nee, das nicht. Aber gut finde ich ihn schon. Insbesondere, wenn man da an die Konkurrenz denkt«, fahre ich fort.
»Du meinst Wurst-Werbegesicht Kerner?«, lacht Jens.
»Nein. Ich finde, der sieht für einen naturblonden Nicht-Schweden mittlerweile auch ganz gut aus. Aber ich erinnere mich noch mit Grauen an die EM, als man sich allabendlich mit Trainer Klopp auseinandersetzen musste. Hallo! Der Typ sieht doch immer aus, als lehne er die nächtliche Bettruhe genauso ab wie regelmäßige Körperpflege. Er ist so glaubwürdig wie Werbung für effektive Cellulite-Creme. Seine Spielanalysen auf dem digitalen Klemmbrett, die reinsten Montagsmaler«, gebe ich mit dem Brustton der Überzeugung von mir. Klopp ist mir schon lange ein Dorn im Auge. Aber mit meinen Mädels kann ich so etwas ja nicht besprechen. Jens schaut mich voller Bewunderung an.
»Warum haben wir beide es eigentlich nie miteinander versucht?«, platzt es plötzlich aus ihm heraus.
Jetzt werde ich verlegen, obwohl ich in dem Augenblick genau dasselbe denke. Ich zucke mit den Schultern.
»Keine Ahnung. Vielleicht haben wir den Augenblick verpasst.«
»Welchen Augenblick?«,
»Na ja, es gibt doch die klassischen Momente beim Zusammentreffen von Mann und Frau, in denen es sich entscheidet, wie man künftig miteinander umgehen wird.«
»Es sei denn, man fällt sofort nackt übereinander her und redet danach kein Wort mehr miteinander!«
»Haha, sehr witzig. Jetzt mal im Ernst: Das mit der Liebe auf den ersten Blick stimmt doch sowieso nicht, oder?« Irgendwie zieht sich das Thema bei mir heute durch den ganzen Tag.
»Doch, natürlich. Ich hab so was schon mal erlebt. Meine erste große Liebe Susanna zum Beispiel, da war sofort klar, dass sie DIE Frau für mich sein würde. Zumindest für die nächsten sechs Tage. Wir waren damals aber auch beide erst sieben«, antwortet Jens.
»O. k., aber jetzt mal postpubertär gedacht: Wenn man aus dem Alter der Schwärmereien heraus ist, dann geht man doch erst einmal eine gewisse Checkliste durch!«
»Ihr geht Checklisten durch?« Jens blickt mich entgeistert an.
»Na klar! Alter, Beruf, Lebensperspektive. Schließlich will man keinen depressiven Nassauer zu Hause durchfüttern müssen. Die moderne Frau will sich zu Hause anlehnen und im Beruf entfalten, mit der Option, wegen der Kinder doch noch zu Hause bleiben zu können.«
Ich sollte keinen Wein mehr trinken, ich plappere schon wieder zu viel.
»Wenn du mit mir zusammen wärst, dürftest du auch Kinder kriegen und von mir aus auch zu Hause bleiben.« Jens schaut mir tief in die Augen.
»Wieso hatten wir nochmal unseren Zeitpunkt verpasst?«, frage ich ihn. Mir ist ein bisschen schwindlig, dennoch bin ich immer noch Herrin meiner Worte.
»Vergiss einfach den blöden Zeitpunkt und küss mich einfach!«, flüstert mir Jens zu, bevor er seinen Kopf zu mir herüberbeugt und seine Lippen auf meinen Mund drückt. Er schmeckt nach Rotwein, und seine Bartstoppeln scheuern ein bisschen. Dafür kann er aber nichts, schließlich wusste er vor unserer Verabredung noch nicht, dass wir knutschen würden. Jetzt müssten wir eigentlich beide Feuerwerk, Bauchkribbeln und andere Gefühle entwickeln, und das zaghafte Geküsse müsste in wildes Geknutsche ausufern. Stattdessen hören wir zeitgleich auf und fahren auseinander. Wir schauen uns an, aber diesmal können wir uns ein Grinsen nicht verkneifen. Jens findet zuerst die Sprache wieder.
»Immerhin haben wir es probiert.«
»Ja, genau. Es hätte ja auch funktionieren können. Ich habe mich das schon lange gefragt«, ergänze ich froh. Jens geht es offenbar wie mir.
»Ja, genau. Was glaubst du eigentlich, wie viele meiner Kommilitonen mich gefragt haben, ob du meine Freundin bist und, wenn nein, wieso nicht?«
»Ja! Mel hat mich das auch schon gefragt, und Carla würde das sicher auch fragen, wenn ihr euch kennen würdet! Jetzt wissen wir wenigstens, was wir künftig darauf antworten. Apropos, du musst Carla endlich mal kennenlernen. Es kann nicht angehen, dass sich mein bester Freund und meine Busenfreundin noch nie über den Weg gelaufen sind!«
Ich bin irgendwie erleichtert. Endlich
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