Dicke Moepse
Stelle, das Kind zu schaukeln. Stefans kleine Fehlerchen kriege ich schon in den Griff. Wenn ich meinen Job hier richtig gut mache, überträgt mir Andreas sicher auch wieder größere Aufgaben. Und wenn er merkt, wie viel Geld wir damit sparen, wird er begeistert sein. Er wird schon noch dahinterkommen, dass er wirklich auf mich zählen kann. Ich werde es ihm beweisen. Aber zuerst sind meine Möpse dran, schließlich müssen Kate und Moss noch ein paar Gramm abspecken, damit sie ihren Frauchen noch lange Freude bereiten. Wenn sie mich nur nicht immer mit ihren vorwurfsvollen Blicken ansehen würden. Ich fühle mich ja schon wie Dirk Bach, der seinen Dschungelcamp-Bewohnern nur Reis und Bohnen gibt, während er in Schokolade badet.
Gleich ist meine Schicht zu Ende, aber ich lasse es mir nicht nehmen, zum Abschluss bei Lucinda vorbeizuschauen. Immerhin habe ich nun den Auftrag von Andreas, ihre Schwangerschaft zu überwachen.
»Watt machst dudn hier?«, fragt mich Stefan überrascht, als ich meinen Kopf zur Tür hereinstecke. Er ist gerade dabei, die Herztöne von Lucinda abzuhören, und macht sich Notizen auf seinem Klemmbrett. Mister Superwichtig hält jedoch das Messgerät an die komplett falsche Stelle und hört wahrscheinlich nur die rauschende Leere zwischen seinen beiden abstehenden Ohren. Ich seufze kurz auf. Das wird doch nicht so einfach, wie ich mir gedacht habe. Merkwürdig, dass Doktor Nachtnebel bis heute noch nichts aufgefallen ist. Aber wahrscheinlich war er bisher immer dabei.
»Ich wollte nur nochmal nach euch zwei Hübschen sehen, bevor ich mich vom Acker mache. Was sagt denn Dr. Nachtnebel, wann es losgehen soll?« Ich bemühe mich, Stefan den Wind mit Freundlichkeit aus den Segeln zu nehmen. Dennoch scheint er sich ein wenig ertappt zu fühlen. Kein Wunder.
»Ick stimme mir mit ihm in alln wichtign Dingn ab, keene Sorje. Da brauchste mir janich so auffe Finger kiekn«, giftet er.
»Aber es interessiert mich einfach. Ich habe noch keine Giraffengeburt miterlebt.« Vielleicht erbarmt er sich, wenn ich die Wissbegierige mime. Männer mögen es ja, wenn sie uns Frauen neue Horizonte eröffnen können. Ganz davon abgesehen stimmt es ja auch, dass das Ganze für mich hier Neuland ist. Für Stefan allerdings auch. Selbst wenn er so tut, als hätte er in der afrikanischen Steppe jahrelang Giraffen am Fließband entbunden. Tatsächlich funktioniert mein Trick mit dem unwissenden Weiblein, denn Stefans Gesicht nimmt gönnerhafte Züge an.
»Na jut, komm rinn. Siehste, ditt Herz schlächt nach wie vor janz normal.« Stefan stellt sich gewichtig vor Lucinda, was jedoch kaum möglich ist, denn die schwangere Giraffe trippelt nervös auf und ab. Vielleicht kommt das Baby doch schon früher als erwartet. Giraffe ist von dem arabischen Wort »Serafe« abgeleitet und bedeutet so viel wie lieblich. Im Moment ist davon jedoch nicht viel zu merken. Lucinda schnaubt und wirft ihren Hals rauf und runter.
»Du machst sie janz nervös mit deene janzen Fragerei«, wettert Stefan los und schaut mich hilflos an. Ich nehme Stefan wortlos das Stethoskop aus der Hand und schiebe es an die richtige Stelle. Bammbamm, bammbamm, schlägt Lucindas Herz, ungewöhnlich schnell für den jetzigen Zeitpunkt ihrer Schwangerschaft.
»Vielleicht haben ja auch ihre Wehen eingesetzt?«, frage ich. Für mich ist die Situation eindeutig.
»Aber der Decktermin war doch …«, kontert Stefan und glotzt auf sein Klemmbrett, als würde dort die Antwort auf all seine Fragen stehen.
»Vielleicht hat Eric ja schon vorher getroffen, was denkst du?« Ich gehe langsam auf Lucinda zu, die sich mittlerweile in eine entfernte Ecke des Stalls verzogen hat. Vorsichtig umrunde ich das stattliche Tier mit dem prallen Bauch.
»Also, wenn das nicht die Wehen sind, dann weiß ich auch nicht!«, sage ich. Ich versuche, ganz ruhig zu bleiben, in meinem Inneren brodelt aber schon die Nervosität.
»Wir brauchen Stroh, ganz viel Stroh. Das Baby kann innerhalb der nächsten halben Stunde auf den Boden plumpsen, wenn alles gutgeht.« Nun bin ich wirklich aufgeregt.
»Aber hier liecht doch jenug Stroh rum!«, entgegnet Stefan und schaut wieder wie hypnotisiert auf sein Brettchen.
»Himmel, dann hol ich es halt selber. Meine Güte. Der ganze Stall muss mit einem Riesenpolster ausstaffiert werden. Oder wie soll das Baby sonst den Sturz aus zwei Metern Höhe unbeschadet überleben?«
»Aber in freier Wildbahn schaffen se ditt doch och ohne, und unser Zoo
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