Dicke Moepse
Eigenschaften, die einen Menschen unnahbar und unsympathisch machen.
»Träumst du etwa auch schon von unserem Herrn Weiner?«, fragt mich Andreas. Er hat sich einen Becher Quark aus dem Kühlschrank genommen und setzt sich zu mir an den Tisch.
»Ich? Nein, wieso?«, lüge ich ihm ins Gesicht.
»Ich frage mich ja, wieso ein Typ wie René nicht schon längst in festen Händen ist, so perfekt, wie er sich gibt«, überlegt Andreas. Ich glaube, einen klitzekleinen Hauch von Eifersucht in seinen Worten zu erspüren. Kein Wunder, schließlich ist Andreas nicht mehr die Nummer eins im Affenstall.
Andreas ist einer der Menschen, die vermutlich eines Tages auf ein stinklangweiliges Leben zurückblicken müssen. Aber eines muss man ihm lassen: Im Gegensatz zu mir ist Andreas wenigstens erfolgreich mit dem, was er tut. Statt zielstrebig mein Studium wiederaufzunehmen, stecke ich tief in Trägheit und Selbstmitleid, was meine Karriere angeht. Aber immerhin habe ich einen tollen Verehrer, der schon von Beziehung spricht! Vielleicht heiraten René und ich ja bald, und ich hänge meinen Job hier an den Nagel, gebäre zwei bis drei entzückende Kinder und schaffe meinem treuen und ergebenen Ehemann ein gemütliches Zuhause.
Andreas zuckt unterdessen nur mit den Schultern, löffelt seinen Quark und verzieht sich wieder in sein Büro. Ich werfe einen Blick auf den Wochenplan und verdrehe kurz die Augen, weil Kollege Stefan mal wieder die besseren Schichten abbekommen hat. Wieso ist dieser Typ eigentlich immer noch im Dienst, obwohl Andreas mittlerweile weiß, wie er tickt? Ich verzichte auf Mutmaßungen zum Thema »männliche Klüngelei« und mache mich dann auf die Socken. Schließlich sollen meine geliebten Tiere nicht an meiner mangelnden Motivation leiden. Tiere sind wie kleine Kinder: Hat man ihr Vertrauen einmal gewonnen, können sie einen überglücklich machen. Aber die Verantwortung ist extrem hoch. Ich gehe ins Streichelgehege und beginne damit, den Meerschweinchen die Nägel zu feilen. Das klingt vielleicht mehr nach Paris Hilton als nach Tierpfleger, aber die süßen kleinen Nager verletzen sich mit zu langen Nägeln selbst, und wir haben weit weniger zu tun, wenn wir ihnen alle paar Monate eine Pediküre zukommen lassen. Ob ich René einfach um ein zweites Date bitte? Oder hält er mich dann für zu aufdringlich? Wieso hat er das vorhin in der Küche überhaupt nicht erwähnt? Mein Herz klopft, sobald ich an ihn denke. Doch je größer die Gefühle, desto größer ist leider auch die Unsicherheit, einen Fehler zu begehen. Wann hört das eigentlich auf? Wenn man gemeinsam in Jogginghosen vor der Flimmerkiste sitzt und sich sowieso nichts mehr zu sagen hat? Männer scheinen es da viel entspannter angehen zu lassen. Oder vergessen sie uns etwa absichtlich nach dem ersten Date für volle drei Tage, um dann so zu tun, als wäre es das Normalste der Welt, dass man den anderen so lange hängen lässt? Wenn ich ein Mann wäre, würde ich meine Verabredung gleich am nächsten Tag anrufen. Aber wahrscheinlich fände sie das nicht einmal gut. Ich muss Magdalena mal fragen, wie das bei den lesbischen Frauen ist. Mir ist, als hätte sie gesagt, dass das ganze Ding rund um die Verabredung unter Frauen viel entspannter läuft. Dennoch stehe ich nun mal auf Männer. Das ist eben so.
Als ich bei den Tapiren fertig bin – heute gab es mal wieder ein paar getrocknete Feigen als zusätzliche Leckerei –, piept mein Handy. René hat mir eine SMS geschickt und möchte sich gerne mit mir für heute Abend verabreden. Ich kann mein Glück kaum fassen! Er ist eben doch ein absoluter Traummann. Er gehört nicht einmal zu der Aus-Prinzipdrei-Tage-warten-Sorte! Aber was ziehe ich bloß an?
»Er lädt mich heute Abend wieder zum Essen ein. Diesmal Französisch!«, erzähle ich Carla atemlos, als ich zu Hause bin.
»Na, wenn das mal keine Anspielung auf das ist, was er im Anschluss an euer Essen noch von dir erwartet.« Carla wirkt ein wenig skeptisch, und das nervt mich, schließlich kann sie sich beziehungstechnisch weit weniger beschweren als ich.
»Pass bloß auf dich auf. Du kennst ihn doch gar nicht«, unkt sie. »Vielleicht holt er zu Hause seine Kettensäge heraus und zerteilt dich in tausend winzige Stückchen, die dann in seiner Gefriertruhe landen.« Sie hat in letzter Zeit eindeutig zu viele Horrorvideos bei Jens geschaut. Früher haben Jens und ich das immer gemeinsam gemacht, ein Faible, das wir miteinander teilen, obwohl
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