Dicke Moepse
die Bullen arbeite. Ähm, ich meine natürlich, für die Polizei.«
Carla zieht sich ihre Uniformjacke über und knöpft sie vorn zu. Sofort nimmt sie eine andere Körperhaltung ein.
»Meinst du nicht, wenn er dich in deiner Arbeitskleidung sieht, ahnt er, für wen du tätig bist?«, frage ich zögerlich, schließlich möchte ich ihr nicht ins Handwerk pfuschen.
»Du hast natürlich völlig recht. Ich bin schon total durcheinander. Ich ziehe mich sicherheitshalber um, falls ich dich tagsüber observieren soll, wovon ich fest ausgehe.«
Mein Leben ist eine Vollkatastrophe. Mein Arbeitgeber ist pleite, mein Fast-Lover ein Verbrecher, und nun werde ich auch noch observiert. Herzlichen Glückwünsch, Frau Jakob, das ist Ihr Leben! Wenn mir das jemand vor einem Jahr erzählt hätte, dann hätte ich ihn ausgelacht.
»Wir haben bereits dreihundert definitive Zusagen für Samstag. Wer ist das denn?«
Andreas mustert Carla neugierig, die ich, wie ihr Chef ihr erwartungsgemäß aufgetragen hat, im Schlepptau habe. Also erkläre ich Andreas die heikle Angelegenheit mit dem Brief, und er wird ein bisschen blass um die Nase.
»Tja, dann wünsche ich uns allen, dass sich die Sache doch noch zum Guten wendet«, sagt er kurz angebunden. Dann fügt er betont sachlich hinzu: »Melanie konnte übrigens auch eine Menge Kunden zu unserem Fest einladen. Ich denke, wir können alle zuversichtlich sein. Ich werde dann mal wieder an die Arbeit gehen. Es ist noch einiges zu überprüfen.«
»Na, der hat es aber eilig.« Carla schüttelt den Kopf und schaut Andreas hinterher, der fast zum Verwaltungsgebäude rennt. Ich folge ihm langsam, denn ich muss mich noch umziehen. Doch Carla kann das Thema »Mel« nicht einfach ruhen lassen.
»Das mit der Gästeliste hat sie doch nur gemacht, um ihn zu beeindrucken!«, giftet sie. »Die Frau hat ihr Hirn im Höschen, das ist wirklich indiskutabel.«
»Na ja, solange sie damit unsere Existenzen rettet, soll sie ruhig machen«, wende ich ein.
»Aber was findet denn dieser Andreas bloß an ihr? Der scheint doch ganz nett zu sein!«
»Jeder hat eben so seine Schmutzecken«, seufze ich und knöpfe meinen Overall zu.
»Immerhin erlebe ich dich heute mal bei deiner Arbeit!«, freut sich Carla. Wir kennen uns nun schon so lange, aber bisher hat sie es noch nie geschafft, mich im Zoo zu besuchen.
»Ich hoffe nur, dass es nicht bei dem einen Mal bleibt«, unke ich.
Carla folgt mir mit etwas Abstand, damit es nicht so aussieht, als würde sie absichtlich in meiner Nähe herumstehen. Eigentlich sollte ich mich wohl in ihrer Nähe fühlen. Schließlich ist es doch ein beruhigendes Gefühl, wenn man weiß, dass jemand auf einen aufpasst. Aber mir wird dadurch erst die Tatsache bewusst, dass sie ja nur in meiner Nähe ist, weil eventuell ein Krimineller Kontakt zu mir aufnehmen könnte. Ich versuche den gruseligen Gedanken zu verdrängen, dass mich René womöglich aus der Ferne beobachtet, und stürze mich in meine täglichen Aufgaben. Seit der Bekanntgabe unserer Pleite haben sich ein Drittel unserer Tierpfleger verabschiedet. Um ehrlich zu sein, hatte ich mit noch mehr Leuten gerechnet. Das spricht doch für die Moral unserer Berufszunft: Uns sind die Tiere wichtiger als alles andere. Ich würde mich schämen, wenn ich den Zoo in dieser Situation im Stich lassen würde. Wer soll sich denn dann um Eric kümmern? Er lässt sich nun mal am allerliebsten von mir füttern. Ohne mich würde er bestimmt hungern, und das kann ich nun wirklich nicht verantworten.
Spätestens zur Mittagspause lerne ich meinen neuen Bodyguard schätzen: Carla hat uns leckere Stullen gemacht. Wobei das Wort »Stulle« nicht ganz dem entspricht, was sie hier schon wieder gezaubert hat. Ich bleibe dabei: Wenn sie keine Frau wäre, würde ich sie auf der Stelle heiraten, denn es gibt Roastbeef mit selbstgemachter Remoulade, Gürkchen und einer hauchzarten Scheibe Pecorino-Käse, dann eingelegte Paprika, getrocknete Tomaten und Kürbis-Salsa auf mittel altem Gouda, jeweils zwischen zwei Scheiben selbstgebackenem Vollkornbrot. Wann macht sie das alles eigentlich? Es gibt so reichlich, dass wir spontan entscheiden, Andreas auch zu unserem Festmahl einzuladen. In Krisenzeiten müssen alle zusammenhalten und anpacken. Das geht nun mal mit vollem Magen besser als mit leerem. Und so sitzen wir nun nebeneinander und schweigen uns genüsslich kauend an. Carla ist als Erste mit ihrem Brot fertig.
»Sag mal, Andreas – ich darf
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