Dicke Moepse
ich.
»Ach, den hätte ich in der ganzen Aufregung fast vergessen. Post für dich war im Briefkasten!« Carla überreicht mir den Brief, auf dem handschriftlich meine Adresse steht. Neugierig öffne ich den Umschlag und lese den Text.
»Na? Wieder mal ein heimlicher Verehrer?«, fragt Jens neugierig. Er möchte mich so gern in festen Händen sehen!
»Ich würde eher sagen, ein unheimlicher …«, antworte ich und reiche den Zettel an Carla weiter. Ihre Gesichtszüge erstarren schlagartig. Dann liest sie laut vor:
»L iebste Ros i, mein herzallerliebster Augapfe l, ich bedaur e, dass die Geschehnisse so verlaufen sind und dass Du nun ein völlig falsches Bild von mir has t. Doch Du bist frei von jeglicher Schul d. Und ich brauche das Gel d, um mir eine neue Existenz aufzubaue n. Eine Existenz und ein neues Lebe n, das ich gerne mit Dir teilen würd e. Bitt e, denk darüber nac h. Versprich mi r, dass Du diese Zeilen nicht sofort vor lauter Wut verbrenns t. Ich werde Dich in naher Zukunft erneut bitte n. In Liebe Dein Dich anbetender Ren é«
Carla faltet den Brief zusammen und gibt ihn an mich zurück.
»Sag mal, dem Typen haben sie ja wohl das Hirn ausgeräuchert. Wie kann er denken, dass du nach all dem, was passiert ist, überhaupt noch was mit ihm zu tun haben willst?«
»Immerhin liebt er mich wirklich«, gebe ich zu bedenken und schaue in Carlas entsetztes Gesicht. Ich muss gestehen, dass mich der Brief gleichzeitig schockiert und mir schmeichelt. Es soll ja sogar schon vorgekommen sein, dass sich bei Entführungen die Geiseln in den Täter verguckt haben. Das sogenannte Stockholm-Syndrom. Nicht, dass es mir jetzt so ginge, ich bin vom René-Virus endgültig geheilt, aber zumindest fühle ich mich nicht mehr ganz so benutzt.
»Immerhin«, beeile ich mich zu ergänzen, »ist meine weibliche Ehre wenigstens wiederhergestellt. Er hat mich nicht ausgenutzt. Er hat offenkundig eine hohe Meinung von mir. Das hilft mir, schneller über ihn hinwegzukommen.«
»Komische Theorie«, meint Jens, der sich den Brief geschnappt hat und nun zwischen den Fingern hin und her dreht und wendet. Er denkt ein wenig nach und fährt dann fort: »Wer sagt denn, dass er dich diesmal nicht wieder hinters Licht führt? Vielleicht ist er der geheime Leiter einer Organhandel-Organisation und hat bereits deine Leber, Nieren und Herz verschachert? Nun wartet er nur noch auf den geeigneten Termin, um sie sich zu holen!«
»Du schaust zu viele Horrorstreifen, Jens«, lache ich. Aber im selben Moment bekomme ich eine Gänsehaut. Man kann heutzutage wirklich niemandem mehr über den Weg trauen.
»Und, was nun?«, frage ich die Fachfrau von der Polizei.
»Da der Tatverdächtige sich nicht eindeutig zum Zeitpunkt der nächsten Kontaktaufnahme geäußert hat, werde ich dir in den nächsten Tagen wohl nicht mehr von der Seite weichen können. Vielleicht macht er einen Fehler, und dann schlagen wir zu!«, referiert Carla professionell.
»Das heißt, wir verbringen jetzt 24 Stunden am Tag miteinander? Hilfe! Ich weiß nicht, ob ich so viel Nähe ertrage! Bekomme ich denn wenigstens eine Waffe?«, witzele ich, um der Situation die Schärfe zu nehmen.
»Und was ist mit mir?«, fragt Jens ängstlich. »Bekomme ich euch künftig nur noch im Doppelpack? Na ja, es gibt Schlimmeres.«
»Stopp, bevor ihr beide euren wildesten Phantasien freien Lauf lasst, sei Folgendes ein für alle Mal klargestellt: Nein, Rosi, du bekommst keine Waffe. Dafür bräuchtest du eine Ausbildung und einen Waffenschein, und das möchte ich dir wirklich nicht zumuten. Und du, mein Schatz, brauchst dir auch keine Hoffnungen zu machen. Ins Bett komme ich nach wie vor allein zu dir.« Sie gibt ihm demonstrativ einen Kuss.
»Was ist eigentlich los mit euch? Müsst ihr nicht zur Arbeit?«
»Oh ja, natürlich. Ich habe gleich eine Besprechung!«, sagt Jens und steht von seinem Stuhl auf. »Wir sehen uns dann später. Nicht wahr?«,
»Ich haue dann auch gleich mal ab. Es gibt schließlich noch so viel zu tun«, beeile ich mich zu sagen und stehe ebenfalls entschlossen auf.
»Moment, Frollein Wunderlich, was haben wir gerade besprochen? Bevor du dich irgendwohin bewegst, wird das mit mir abgestimmt. Ich schlage vor, wir fahren erst einmal aufs Revier, und ich werde dich nach Übergabe des Beweismaterials«, sie hält den Brief in die Höhe, »begleiten. Natürlich so, dass es keiner mitbekommt. Vielleicht hat der Fiesling ja mittlerweile Wind davon bekommen, dass ich für
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