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Dickner, Nicolas

Dickner, Nicolas

Titel: Dickner, Nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolski
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bekräftigt Noah, ohne mit der Wimper zu zucken.
    „Machen wir doch mal eine Probetour. Such die Bestellung von Mme Pichet zusammen und liefer sie aus. ¡Dale!“
    Er drückt ihm ein altes Notizbuch in die Hände. Auf die erste Seite hat jemand eine Einkaufsliste gekrakelt, halb auf Französisch, halb auf Spanisch.
    „Das Fahrrad stellen Sie?“, fragt Noah, während er sich die Ärmel hochkrempelt.
    „ ¡Claro! “, lacht der Inhaber und zeigt ihm ein glänzendes, umgebautes CCM, Baujahr 1977, das vor dem Schaufenster des Ladens steht.
    Das primitive Gefährt hat nur, was es unbedingt braucht: drei Räder, zwei Pedale, einen Korb. Noah spürt, wie ihm die Knie weich werden. Er hat noch nie auf einem Fahrrad gesessen. In dem Alter, in dem man normalerweise die Grundlagen des Radfahrens erlernt, hat er alte Straßenkarten sortiert, während draußen die Schulhöfe vorbeizogen.
    Er fasst sich ein Herz und holt im Laufschritt die Dinge aus den Regalen zusammen, die im Büchlein aufgeführt sind. Danach schaut er nach der Adresse, die unter der Liste notiert ist.
    „Avenue de Gaspé?“
    Er zuckt die Achseln und trägt die Einkaufstüten nach draußen in den Fahrradkorb. Auf seinem Weg vorbei an der Registrierkasse lässt er heimlich einen Montréaler Stadtplan mitgehen.

Erster Kontakt mit Ihrem Macintosh
    Wütend tritt Joyce gegen die Abfallsäcke.
    Alle auf der Straße sind mit ihrer Arbeit beschäftigt. Ein abgespannter Typ verteilt Werbeprospekte, städtische Angestellte stutzen einen hundertjährigen Ahorn mit der Kettensäge, ein Pizzabote erklimmt eine Treppe mit einem dampfenden Karton – und Joyce, die den Eifer all dieser Leute betrachtet, grollt vor sich hin.
    Seit ihrer Ankunft in Montréal hat sie nichts anderes gemacht als Seezungenfilets zu verkaufen, Lachssteaks zu schneiden und den Kunden zuzulächeln. Es fehlt nicht viel und sie fühlt sich zurückversetzt ins Alter von sechs Jahren, als sie ihre Onkel bekochte und brav ihre Hausaufgaben machte.
    Diese Wendung der Dinge hätte ihrem furchterregenden Urahnen, dem Piraten Herménégilde Doucette, sicher sehr missfallen. „Wer kommt denn auch auf die Idee, in einem Fischgeschäft zu arbeiten“, würde er mit heiserer Stimme brummen, „dabei kann man doch einfach runter in den Hafen gehen und auf einem Schiff anheuern.“
    „Aber Opa“, hätte Joyce mit ausgebreiteten Armen eingewandt, „es ist 1989!“
    „Ja und, was soll das denn daran ändern?“
    Wie sollte sie ihm das erklären? Die Welt war nicht mehr die von gestern. Die Registrierkassen, die Geldautomaten, das Bezahlen mit Kreditkarte, die Mobiltelefone . . . Ganz Nordamerika würde bald nur noch ein einziges Netz miteinander verknüpfter Datenleitungen sein. Diejenigen, die mit einem Computer umgehen können, werden vielleicht noch auf einen grünen Zweig kommen. Für die anderen ist der Kahn abgefahren.
    Joyce versetzt einem Pappkarton einen ordentlichen Tritt.
    Ein Typ kommt mit vollem Karacho auf einem Lieferfahrrad angerauscht und scheint mehr Interesse für die umgebende Architektur zu haben, als zu schauen, wohin er fährt. Er gerät auf den Bordstein, schrammt die Abfallsäcke im Vorbeifahren, verfehlt Joyce nur knapp und plumpst zurück auf die Straße. Sie schaut diesem vorsintflutlichen Gefährt nach, wie es sich entfernt und schließlich in einer kleinen Gasse verschwindet.
    „Und der da?“, murmelt sie. „Ist der glücklich damit, den Leuten ihre Einkäufe zu liefern?“
    Sie ist vor einem Packen alter Zeitungen stehen geblieben. Obenauf preist eine Anzeige Die heißesten Sonderangebote des Sommers an. Der große Star in dem kleinen strengen Rahmen ist ein IBM 286er mit 50 MHz Prozessor, 1 MB Arbeitsspeicher, 30 MB Festplatte, 3,5 Zoll Diskettenlaufwerk, VGA-Monitor, Laserdrucker – zum Komplettpreis von 2.495,- Can$ (zzgl. Steuern).
    Mit geschlossenen Augen teilt Joyce den Preis des Computers durch den Mindestlohn. Der dumme Kasten steht für mehr als 400 Stunden Dorschen die Köpfe abschneiden!
    Sie seufzt und gibt dem nächstbesten Müllsack einen Tritt, der sich gewaschen hat. Die Plastikfolie reißt auf und ein halbes Dutzend Disketten rutscht auf den Gehweg. Ungläubig untersucht Joyce eine davon genauer. Unter einem buntgestreiften Apfel prangt eine verlockende Einladung: Erster Kontakt mit Ihrem Macintosh .
    Joyce wendet sich verzückt dem Müllhaufen zu.

CCM
    Noah hat sich augenblicklich in Cesar Sanchez’ altes Fahrrad verliebt.
    Stehend in den Pedalen, den

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