Die 10. Symphonie
dieser Frau wird immer noch gestritten.«
»Meinst du, Beatriz de Casas könnte diese Unsterbliche Geliebte sein?«
»Beethovens Verbindungen zu Spanien sind wesentlich enger, als man so denkt. Es geht sogar das Gerücht um, dass seine Großmutter Spanierin gewesen ist.« »Das hab ich ja noch nie gehört.«
»David Jacobs schreibt in seinem Beethoven-Buch von 1970, dass Maria Josepha Pols, die Mutter von Beethovens Vater, aus Katalonien stammte. Allerdings war sie wohl schon vor ihrer Hochzeit deutsche Staatsbürgerin geworden. Sie könnte mit ihrer Familie wegen der Niederlage Erzherzog Karls im Spanischen Erbfolgekrieg nach Deutschland ausgewandert sein. « »Hat man ihn deshalb Schwarzspanier genannt?« »Das ist anzunehmen. Erwiesen ist auch die enge Freundschaft Beethovens mit einer Spanierin namens Fanny del Rio. Sie war die Tochter von Cajetan Giannatasio del Rio, einem spanischen Hauslehrer, der 1798 in Wien eine Privatschule gegründet hatte. Als Beethovens Neffe Karl in seinem Schutz und Gewahrsam stand, schickte ihn der Komponist auf dieses Internat. Zwischen ihm und del Rio gingen eine Menge Briefe hin und her. Und dann ist da natürlich noch Fidelio. Der Schauplatz dieser Oper ist Sevilla.«
»Sollte sich deine Theorie über Beatriz de Casas bestätigen, käme das wie gerufen für dein Buch. Aber wozu hält der Komponist diese Noten mit dem Namen seiner Geliebten in der Hand?«
»Vielleicht wollte er ihr das Bild schenken. Manche Männer lassen sich ja auch den Namen der Frau, die sie lieben, auf den Körper tätowieren. So weit ging Beethoven natürlich nicht, aber dass er ihren Namen in Notenform in sein eigenes Porträt einbrachte, heißt doch so viel wie: Dein Name ist wie Musik für mich. «
»Wie und wo hätte Beethoven denn in Wien eine Spanierin kennenlernen können?«
»Vielleicht über die Schule von del Rio ... aber es gibt noch eine andere Möglichkeit: Hast du schon mal von der Spanischen Hofreitschule gehört?«
49
Wien, M ärz 1826
Ludwig van Beethoven hatte seine Wohnung in der Schwarzspanierstra ße 15 verlassen, um für das Pferd, das ihm einer seiner besten Freunde, Stephan von Breuning - Widmungsträger des einige Jahre zuvor komponierten Violinkonzerts in D-Dur -, geschenkt hatte, Unterkunft und Pflege zu suchen. Von Breuning, der nur knapp eine Straße weiter wohnte, wusste, dass Beethoven ein großer Naturliebhaber war. Er hatte dem Musiker ein Reitpferd geschenkt, damit dieser seine alte Gewohnheit, sich auf der Suche nach Inspiration für seine Musik in den Wäldern um Wien zu ergehen, wieder aufnahm. Er wusste zwar, dass Beethoven schon vor Jahren einmal ein Pferd besessen hatte, allem Anschein nach jedoch kein einziges Mal darauf geritten war. Schließlich hatte sich einer seiner Bediensteten das Tier angeeignet.
Doch nun, dachte der Adelige, waren die Umst ände ganz andere: Bevor Beethoven so kränklich geworden war, hatte er täglich ausgedehnte schöpferische Wanderungen unternommen, von denen er jedes Mal euphorisch zurückkehrte: Das Thema einer Symphonie hatte dann seine endgültige Gestalt angenommen, oder er hatte die Kadenz eines Klavierkonzerts entworfen. Seine gesundheitlichen Probleme wurden jedoch immer schwerwiegender, und ihm fehlte es an Kraft, diese langen Spaziergänge zu Fuß zu machen. Da seine besten Ideen aber stets im Kontakt mit der Natur entstanden waren, lie ß seine Kreativität allmählich nach.
Beethoven selbst fl ößten diese Tiere einigen Respekt ein, zumal einer seiner größten Unterstützer, Fürst Kinsky, durch einen Reitunfall zu Tode gekommen war. Dennoch freute er sich ausgesprochen über Breunings Geschenk. Fidelio sollte das Tier heißen - genau wie der Held seiner einzigen Oper. Noch stand in den Sternen, ob er wirklich regelmäßigen Gebrauch davon machen würde, doch eins war sicher: Diesmal würde er nicht zulassen, dass ein skrupelloser Diener die Situation ausnutzte. Daher machte er sich nun selbst auf die Suche nach einer vertrauenswürdigen Bleibe für das Tier. Und welche Institution konnte besser qualifiziert sein, hier Rat zu erteilen, als die Spanische Hofreitschule am Michaelerplatz? Es verstand sich von selbst, dass Beethoven sein Pferd dort nicht unterstellen konnte: Die berühmte Schule, 1526 gegründet, nahm nur Lipizzaner auf. Sie wurden so genannt, weil die Stuten und Hengste, von denen sie abstammten, in der alten italienischen - heute slowenischen - Stadt Lipizza beheimatet waren. Beethoven kannte aber
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