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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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Konzerts angehabt hatte. »Hallo«, sagte Daniel, streckte Thomas die Hand hin (die dieser jedoch nicht ergriff), stellte sich vor und gratulierte.
    »Vielen Dank«, erwiderte Thomas in einem Tonfall, der keine Gefühlsregung verriet. Sein Verhalten war meilenweit entfernt von seiner ungezwungenen Jovialität vor dem Konzert. Er machte nicht die geringsten Anstalten, Daniel hereinzulassen, also musste dieser sich damit begnügen, vom Gang aus mit dem Künstler zu sprechen. Thomas verdeckte zwar mit seinem Körper die Sicht ins Zimmer, dennoch bemerkte Daniel, dass außer ihm niemand darin war. Das erstaunte ihn. Für gewöhnlich war es bei solchen Gelegenheiten schwieriger, sich durch die Menge der Bewunderer zu schlagen, als ohne Machete durch den Dschungel - erst recht nach einem so außergewöhnlichen Konzert.
    »Verzeihen Sie, dass ich Sie nicht hereinbitte«, sagte Thomas, der mit seinen Gedanken völlig woanders zu sein schien. »Es ist gerade etwas ungünstig.« Seit er die Tür geöffnet hatte, rieb der Musiker unablässig mit der Hand an seinem Hals, als ob ihm etwas die Kehle zuschnürte.
    »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte Daniel. Thomas' Zaudern auf dem Podium fiel ihm wieder ein. »Ja, ja, alles in Ordnung. Ich habe nur eine etwas trockene Kehle. Das ist bei mir immer so an Konzerttagen. Ich h ätte darum bitten sollen, dass man hier ein paar Pflanzen aufstellt. Das mildert es immer ein wenig.« Voller Freude, seine Kenntnisse vor einer solchen Persönlichkeit ausbreiten zu können, sagte Daniel: »Deshalb heißt Garderobe in Ihrer Sprache ja auch green room. Seit Shakespeares Zeiten war es üblich, die Gemächer im Theater voller Pflanzen zu haben. Ihre Feuchtigkeit war wohltuend für die Stimme.«
    »Ein andermal würde ich gerne mit Ihnen über das elisabethanische Theater plaudern«, erwiderte Thomas. Seine Geistesabwesenheit war offener Gereiztheit gewichen. »Doch nun müssen Sie mich entschuldigen.« Da tat Daniel etwas, was er noch nie getan hatte und auch nie wieder tun würde: Um Thomas daran zu hindern, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen, stellte er den Fuß zwischen Tür und Rahmen. Bevor Thomas protestieren konnte, beharrte Daniel: »Geben Sie mir doch nur fünf Minuten, um mit Ihnen über die Symphonie zu sprechen!« Voller Wut blickte Thomas auf Daniels Fuß. Daniel befürchtete, er werde versuchen, ihn mit einem Stoß loszuwerden. Umso größer war seine Überraschung, als der Musiker nachgab: »Also gut. Fünf Minuten.« Doch in dem Moment, als Thomas beiseitetrat, um Daniel einzulassen, klingelte sein Handy. Er nahm es aus einer Tasche des Gehrocks und meldete sich. Daniel gelang es nicht, auch nur einen Fetzen des Gesprächs mitzubekommen, denn Thomas hatte sich ans andere Ende der Garderobe zurückgezogen und sprach im Flüsterton, um auch ja nicht verstanden zu werden. Und außerdem hatte Daniel das Pech, dass Thomas seine Meinung bezüglich ihrer Unterhaltung nun schlagartig änderte:
    »Ich bedaure, aber jetzt kann ich Ihnen nicht einmal mehr fünf Minuten gewähren. Ich werde dringend woanders verlangt«, entschuldigte er sich und schob Daniel sanft zurück auf den Flur. Für ihn war diese Begegnung erledigt.

8
    Als Daniel Jesus Marañón s Residenz verließ, regnete es in Strömen. Er entschied sich dagegen, mit dem Motorrad nach Hause zu fahren, und versuchte stattdessen, ein Taxi anzuhalten. Doch diese waren wegen des Regens gerade äußerst begehrt, so dass er sich gezwungen sah, auf eine komplizierte Kombination aus Metro und Bus auszuweichen. Er kam erst nach Mitternacht zu Hause an, nass bis auf die Knochen.
    Als er gerade den Schl üssel ins Schloss stecken wollte, bemerkte er vor dem Eingang einen Koffer. Schlagartig kam die Erkenntnis zurück, dass es noch mehr auf der Welt gab als Beethoven. Voller Schuldbewusstsein blickte er in beide Richtungen den Bürgersteig hinunter. Da war niemand. Mehrere Male rief er Alicias Namen. Sie hatte sich sicher bei irgendeinem Geschäft in der Nähe untergestellt, von wo aus sie ihn hören konnte. Doch nach dem vierten oder fünften »Alicia!« gingen irgendwo im zweiten Stock jäh die Rollläden hoch, und ein Mann, der aussah wie ein Spediteur, lehnte sich aus dem Fenster und rief verärgert: »Wir wollen schlafen!«
    Daniel holte sein Handy hervor. Mit Entsetzen stellte er fest, dass es nicht an war. Vor dem Konzert hatte er es ausgeschaltet und danach, ergriffen, wie er war, vergessen, es wieder anzumachen. Ihm waren

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