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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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schließen, besann sich dann aber eines Besseren und sagte mit einem boshaften Lächeln: »Ich lasse angelehnt, Bianca, dann kannst du nachher leichter tratschen.«
    Die Sekret ärin erhob sich, schnaubte und zog energisch an der Klinke.
    »Sie versteht einfach keinen Spaß«, sagte Durán. »Aber sie ist ein Goldstück.«
    »Das Konzert war außergewöhnlich«, kam Daniel sofort zur Sache. »Wirklich eine Schande, dass du ....« »Gott steckt im Detail, hat Mies van der Rohe gesagt. Du sollst hier nicht mit Plattitüden wie Es war grandios oder Ergreifend ! um dich werfen, sondern mir genau erzählen, was du gesehen und gehört hast, von deiner Ankunft bis zu dem Moment, als du gegangen bist.« Also lieferte ihm Daniel einen minutiösen Bericht, der auch seine seltsame Begegnung mit Thomas in dessen Garderobe einschloss.
    »Gute Arbeit«, lobte Durán ihn zufrieden. »Und nun bringe ich dich auf den Stand der Dinge: Eben habe ich mit Marañón gesprochen.« »Du? Seid ihr nicht zerstritten?«
    »Manchmal muss man eben über seinen Schatten springen. Schließlich bin ich vor Neugier fast gestorben. Er war freundlich wie noch nie: Wie schade, dass ich nicht hätte kommen können, bla, bla, bla. Aber vor allem hat er mir Dinge über das Verbrechen erzählt, die im Radio nicht erwähnt wurden. Du weißt ja, er hat einen heißen Draht zum Innenministerium. Anscheinend hat man Thomas den Kopf mit einem einzigen Hieb abgeschlagen. Der Schnitt ist so sauber, dass die Polizei annimmt, er sei guillotiniert worden.«
    »Guillotiniert? Wie in der Französischen Revolution? Wie Marie Antoinette?«
    »Genau. Und noch etwas. Das Ganze geschah nicht auf dem Parkgelände. In der Gegend gab es zwar Blutspuren, aber nicht genügend. Wenn man dir den Kopf abschlägt, spritzt dir das Blut aus dem Halsstumpf, als wärst du ein Rasensprenger. Die Polizei glaubt, dass man ihn woanders gek öpft und die Leiche hinterher in die Casa de Campo gebracht hat.« »Und der Kopf?«
    »Ist noch nicht aufgetaucht. Die Polizei durchsucht die Gegend mit Hunden, aber bislang gibt es nicht die geringste Spur von ihm.« »Makaber. Entsetzlich. Wurde er gefoltert?« »Das Einzige sind Abdrücke von Handschellen, sonst ist kaum etwas zu sehen. Man geht davon aus, dass es ein sehr rascher Tod war. Als ob der Mörder seinem Opfer Leid ersparen wollte.«
    »Na ja, ich habe gerade ein Foto von der Leiche gesehen und hatte einen etwas anderen Eindruck. Du sagst, er sei nicht misshandelt worden?« »Zumindest nicht bei lebendigem Leib.« »Also war es eine Art menschenfreundlicher Psychopath?«
    »Möglicherweise. Das ist ein sehr guter Anhaltspunkt für den Untersuchungsrichter. Normalerweise enthaupten diese Geistesgestörten ihr Opfer erst, wenn sie es zerkleinern wollen. Vorher töten sie es mit Messerstichen oder indem sie es erwürgen. Es ist nämlich offenbar nicht besonders einfach, einem lebendigen Menschen den Kopf abzuschneiden, selbst wenn der Kopf auf einem Holzstamm fixiert ist. Sogar erfahrene Henker benötigen mehrere Schläge, bis der Kopf vom Körper abgetrennt ist. Daher hat man auch die Guillotine erfunden, und die Enthauptungen wurden humaner . Vermutlich wollte man den Verurteilten auch das Trinkgeld ersparen.« »Welches Trinkgeld?« »Man musste dem Henker welches geben, damit er sein Beil vorher schliff und einen mit einem sicheren Schlag t ötete. Marañón sagte, bei einer Guillotine sei der Schnitt dagegen so sauber, dass dein Kopf noch einige Sekunden bei Bewusstsein bleibt. Der bekannteste Fall ist der von Charlotte Corday.«
    »Wenn es sehr schaurig ist, will ich es nicht hören. Mir ist eben schon speiübel geworden ...«
    »Als man diese Dame während der Französischen Revolution guillotinierte, weil sie Marat umgebracht hatte«, fuhr Durán genüsslich fort, Daniels Einwand ignorierend, »nahm der Henker ihren Kopf aus dem Korb, hielt ihn vor dem Publikum hoch und gab ihm zwei Ohrfeigen. Diejenigen, die ganz vorne standen, sahen deutlich den entrüsteten Ausdruck der Corday, als sie die Schläge bekam. Die Arme muss gehört haben, wie das Publikum lachte und über sie spottete.«
    Durán s taktlose Schilderung trug nicht unbedingt zu Daniels Wohlbefinden bei.

11
    Inspector Mateos vom Morddezernat VI, zust ändig für die polizeilichen Ermittlungen im Mordfall Ronald Thomas, las schon seit einer Weile in seinem Büro denselben todlangweiligen Absatz aus dem Lehrbuch Handelsrecht für das vierte Studienjahr, ohne auch nur ein

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