Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland
konnte; in der Erde versenkte Sensoren, die Erschütterungen im Umkreis von 500 Metern registrierten oder Vibrationsmeldungsgeber an Metallgittern im Wasser; Mikrowellenschranken für sieben Meter breite Sicherungslinien und elektronische Übersteigsicherungen für die Steckmetallzäune. Dem Erfindungsreichtum, um Menschen zu verletzen oder zu töten, waren keine Grenzen gesetzt. Bis zum Mauerfall am 9. November 1989 fanden 1245 Menschen, die von Deutschland nach Deutschland wollten, den Tod, davon zwischen 122 und 200 am Monstrum Berliner Mauer. Historiker sind noch immer damit beschäftigt, die genauen Zahlen zu ermitteln.
36. Wieso hatte die Bundesrepublik keine Botschaft in der DDR? Die SED ließ sich nur zögerlich und auf Drängen der Sowjetunion auf die Neue Ostpolitik der Bundesrepublik ein. Eine «Aggression auf Filzlatschen» sahen die ostdeutschen Kommunisten in ihr, wie es der DDR-Außenminister Winzer einmal plastisch ausdrückte und damit eine schleichende Bedrohung von Seiten des Westens meinte. Dass die Regierung Brandt/Scheel die Einheit der deutschen Nation wahren wollte, daran nahm die SED ständig Anstoß. Sie verfolgte nämlich ganz andere Ziele: Rigorose Abgrenzung von der BRD, völkerrechtliche Anerkennung der DDR, eigene DDR-Staatsbürgerschaft und damit eine definitive Zweiteilung der deutschen Nation. Das Credo von Bundeskanzler Willy Brandt, es gebe zwei Staaten, aber nur eine Nation in Deutschland und daher könnten die Beziehungen der beiden deutschen Staaten nur von besonderer Art sein, empfand die SED als existentielle Bedrohung.
Nach langem, zähem Ringen kam es 1972, drei Tage vor Weihnachten, zur Unterzeichnung des «Vertrages über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR», kurz «Grundlagenvertrag» genannt. Mit ihm ging eine Epoche der deutschen Nachkriegsgeschichte zu Ende. Da die beiden Vertragspartner wie erwartet ihre verschiedenen Auffassungen über die deutsche Nation nicht ausräumen konnten, wurde diese Uneinigkeit in der Präambel des Vertrages niedergelegt. Alles war, wie immer auf dem Feld der deutsch-deutschen Beziehungen, ziemlich vertrackt: Weder konnte die DDR ihr Konzept der völkerrechtlichen Anerkennung durch die Bundesrepublik durchsetzen, noch gelang es dieser, ein ganz enges Sonderverhältnis auf einer gemeinsamen nationalen Basis zu erreichen. Die beiden Staaten erkannten sich zwar gegenseitig an, nicht jedoch im völkerrechtlichen Sinne. Sie waren füreinander nicht Ausland – diese rote Linie wollte und durfte die Bundesregierung nicht überschreiten. So wurden auch nicht Botschaften, sondern nur «Ständige Vertretungen» in Bonn und Ost-Berlin eingerichtet. Der Grundlagenvertrag bescherte der DDR die lange ersehnte Anerkennungswelle, fast alle Staaten der Welt eröffneten in Ost-Berlin ihre Botschaften, außer der Bundesrepublik Deutschland.
Im Gegenzug zur Anerkennung der Zweistaatlichkeit erleichterte die DDR den Handel sowie allgemein die Zusammenarbeit und den gegenseitigen Austausch, machte vor allem aber in humanitärenFragen Zugeständnisse, bis hin zu Erleichterungen bei Familienzusammenführungen. Solche Milderungen für die Menschen in Ostdeutschland und solche Regelungen, die die deutsche Nation zusammenhielten, waren der Bundesregierung besonders wichtig. Ein ganzer Katalog von Abkommen konnte in den folgenden Jahren vereinbart werden, bevor sich das deutsch-deutsche Verhältnis wieder abkühlte. Man darf nicht übersehen, dass die Mauer und der Schießbefehl weiter bestanden. Egon Bahr, der bundesdeutsche Architekt der Neuen Ostpolitik, traf den Nagel auf den Kopf, als er auf die Frage nach dem durch den Vertrag erzielten Fortschritt sagte: Früher habe man gar keine Beziehungen zur DDR gehabt, jetzt gebe es immerhin schlechte Beziehungen.
37. Warum fädelte Franz Josef Strauß den Milliardenkredit ein? Gegensätze ziehen sich an, so lautet ein Sprichwort. Dass es sich auch auf den politischen Bereich anwenden lässt, zeigt sich bei Franz Josef Strauß, dem konservativen bayerischen CSU-Ministerpräsidenten, den viele für die Inkarnation des «Kalten Kriegers» hielten, und dem DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker. Man hat es hier mit zwei «Klassenfeinden» zu tun, die sich ziemlich gut verstanden, wie bei Strauß’ Besuch Ende Juli 1983 am Werbellinsee in der Schorfheide sichtbar wurde. Anlässlich dieser privaten Besuchsreise des mächtigen Bayern nach Ostdeutschland sprachen beide
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