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Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Titel: Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wolfrum
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verfügte nicht über prophetische Fähigkeiten. Sein Ausspruch verweist lediglich darauf, dass niemand mit der deutschen Wiedervereinigung zu seinen Lebzeiten rechnete. Die Einheit kam unerwartet und unverhofft.
    41. Liebte Gorbatschow die Deutschen? Michail Gorbatschow, der 1985 mit 54 Jahren die Führung der Sowjetunion übernahm, war eine Jahrhundertgestalt. Ohne ihn hätte das 20. Jahrhundert anders geendet, und eine deutsche Wiedervereinigung wäre nicht, jedenfalls nicht so schnell und unter solch glücklichen Bedingungen, möglich gewesen. Die Deutschen haben ihm viel zu verdanken. Deshalb erscheint die «Gorbimania» berechtigt, die jedes Mal ausbrach, wenn er Deutschland besuchte. Sein Bild in Russland ist allerdings ein gänzlich anderes, hier gilt er nicht wenigen als Verräter an der Sowjetunion und die von ihm geprägten Begriffe «Glasnost» und «Perestroika» kommen im Arsenal der Schimpfworte vor.
    Auch Helmut Kohl und Gorbatschow waren nicht von Beginn an Freunde – ganz im Gegenteil, der Auftakt hätte schlimmer nicht sein können. Kohl verglich den wortgewandten Russen 1986 mit dem NS-Propagandaminister Joseph Goebbels. Der Kremlchef nahm ihm dies lange Zeit übel und strafte Kohl und die Bundesrepublik mit Missachtung. Im gesamten Westen war man von diesem energischen, aber smarten und sympathischen Sowjetführer angetan, von seiner eleganten Frau Raissa nicht weniger. «Herrn Gorbatschows Freundlichkeit und Humor haben, zusammen mit dem Charme seiner Frau, den höchsten Eindruck auf die britische Presse gemacht», schrieb die Londoner «Times» am 17. Dezember 1986. Selbst die «Eiserne Lady», Margaret Thatcher, konnte ihre Bewunderung für den Russen, der ihr offenbar das Wasser reichen konnte, wie sie eingestand, nicht verhehlen und fasste sich in einem Fernsehinterview kurz: «Ich mag ihn. Wir können ins Geschäft kommen.» In der westlichen Presse wurdeder freundliche Kommunist als «Wunderkind» betitelt, «Ein roter Stern geht im Osten auf», hieß es hier und da. Für das US-Nachrichtenmagazin «Time» war Michail Gorbatschow der Mann des Jahres 1988, die «Washington Post» glaubte in ihm einen «zweiten Messias» zu erkennen.
    Gorbatschow war ein genialer Politiker, aber auch Schauspieler und Überredungskünstler. Sein Buch «Perestroika» wurde binnen eines Jahres über eine halbe Million Mal verkauft. 80 Prozent der Bundesdeutschen hatten eine positive Meinung von ihm, ein Wert, den der US-amerikanische Präsident, Ronald Reagan, der anlässlich seines Berlin-Besuches am 12. Juni 1987 über die Berliner Mauer gerufen hatte: «Mr. Gorbachev, tear down this wall!», bei weitem nicht erreichen konnte. Für die Opposition in der DDR bedeutete Gorbatschow Hoffnung auf längst fällige Veränderungen und eine Liberalisierung des starren Systems. «Gorbi, hilf!» konnte man auf vielen Transparenten lesen, die im Herbst 1989 auf den großen Demonstrationen mitgeführt wurden. Was bei diesen Menschen Zuversicht auslöste, bedeutete für die SED-Führung Besorgnis und Pein. Erich Honecker und sein Politbüro ließen keinen Zweifel daran, dass sie Gorbatschow für einen Feind hielten, den gefährlichsten, den man sich vorstellen konnte, einen Feind im eigenen Lager. Allen war klar: Anders als am 17. Juni 1953 würden dieses Mal keine sowjetischen Panzer die SED-Führung vor einem neuerlichen Aufstand schützen.
    Gorbatschow machte die deutsche Wiedervereinigung auch zu seiner eigenen Sache. Für ihn zählten dabei moralische Motive – keine Nation dürfe auf ewig gespalten bleiben –, aber auch politische und strategische Gründe. Um die kranke Sowjetunion zu retten, mussten der Kalte Krieg beendet und ein neues Sicherheitssystem gefunden werden. Viele Deutsche verehrten Gorbatschow, manche liebten ihn. Und er? Liebte er die Deutschen? Dies zu behaupten, wäre übertrieben. Alle sowjetischen Führer hegten eine – zumeist fröstelnde – Bewunderung für die Deutschen. Stalin sagte einmal: «Die Hitler kommen und gehen, das deutsche Volk bleibt.» Was auch blieb, war Argwohn und Misstrauen gegenüber diesem unruhigen Volk in der Mitte Europas. Gorbatschow jedoch war der erste Sowjetführer, der Zutrauen in die demokratischen Fähigkeiten der Deutschen hatte, der ihnen Vertrauen schenkte. Deshalb stieß er kühn und weitsichtig zugleich das Tor zur deutschen Einheit auf.
    42. Führte die Währungsunion 1990 zu «blühenden Landschaften»? In seiner mittlerweile berühmten

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